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Umstritten: die E-Zigarette wird ein Fall für die Justiz.

© dpa

Streit um E-Zigaretten in NRW: In Kneipen darf gedampft werden

Rauchen in Restaurants? Verboten. Rauchen in Gaststätten? Verboten. Rauchen in Raucherclubs? Verboten. Den Liebhabern von Zigaretten, Pfeifen und Selbstgedrehten gehen die Freiräume aus. Ein Urteil aus NRW macht ihnen jetzt Hoffnung.

Von Lutz Haverkamp

In Nordrhein-Westfalen, das Bundesland mit den schärfsten Anti-Raucher- oder Nichtraucherschutzgesetzen in der Bundesrepublik, sollte den Freunden des blauen Dunstes eine weitere Möglichkeit genommen werden.

Dabei geht es gar nicht ums Rauchen – es geht ums Dampfen. Bei dieser Form des Nikotingenusses wird in den sogenannten E-Zigaretten mittels Elektrizität eine Flüssigkeit verdampft. Der inhalierte Dampf kommt dem einer herkömmlichen Zigarette geschmacklich sehr nahe. Er kann aber auch sehr davon abweichen, denn die zu verdampfenden Liquids gibt es in ungezählten Geschmacksvarianten: von diversen Früchten, über viele Kaffee- und Spirituosensorten bis hin zu Kaugummi, Cola, Schokolade oder Bonbons. Und natürlich mit Tabakaromen. Das alles kann der Dampfer – wahlweise mit oder ohne Nikotin – schmecken, riechen, genießen. Der Umstehende schmeckt und riecht so gut wie nichts. Sagen zumindest die Dampfer.

Und ein Gastwirt aus Köln. Der hatte seinen Gästen die elektronischen Zigaretten in seiner Kneipe erlaubt und sich so den Zorn der Kölner Verwaltung zugezogen. Die drohte mit Hinweis auf das Nichtraucherschutzgesetz ein Ordnungsgeld und allerlei Ärger an. Der bedrängte Kneiper suchte Hilfe bei Justitia – und siehe da: Die Richter am Kölner Verwaltungsgericht sprangen dem Gastwirt im vergangenen Februar zur Seite. Eine E-Zigarette werde nicht geraucht, und die Gefahren des Passivrauchens seien mit denen bei herkömmlichen Zigaretten nicht vergleichbar, heißt es in der Urteilsbegründung. Zudem kritisierten die Richter den Gesetzgeber, der, wenn er denn ein Verbot von E-Zigaretten wolle, sein Nichtraucherschutzgesetz klarer hätte fassen müssen.

Weil es die E-Zigaretten so lange noch nicht gibt, sind wissenschaftliche Aussagen über mögliche Schädigungen von Mit-Einatmern schwierig bis unmöglich. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärte 2012, dass Gefahren für Dritte "nach derzeitigem Kenntnisstand nicht auszuschließen" seien. "Das BfR empfiehlt daher, E-Zigaretten in Nichtraucherbereichen wie herkömmliche Zigaretten zu behandeln und das E-Rauchen dort zu untersagen." Die Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlichte im Juli 2014 einen Bericht zum Thema und forderte, Rauchverbote für herkömmliche Zigaretten auch auf E-Zigaretten zu übertragen - mit einer Einschränkung: Diese Empfehlung gelte nur, solange nicht belegt sei, dass der Dampf für Umstehende ungefährlich ist. Das Deutsche Krebsforschungszentrum spricht von einem erheblichen Forschungsbedarf und fordert geeignete wissenschaftliche Studien.

Die Bundesregierung macht es sich einfacher und stellte im Jahr 2011 für sich fest: "Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass elektronische Zigaretten grundsätzlich unter das Bundesnichtraucherschutzgesetz fallen, da dieses Gesetz ein allgemeines Rauchverbot regelt, ohne dass ,Rauchen’ hinsichtlich des Konsums bestimmter Produktgruppen wie zum Beispiel Zigaretten, Zigarren, Kräuterzigaretten oder elektrischen Zigaretten differenziert wird." Basta.

Am heutigen Dienstag nun verhandelte das Oberverwaltungsgericht Münster die von der Stadt Köln angestrengte Berufung. Und bescherte dem Gastwirt einen deutlichen Etappensieg. Die Richter des Oberverwaltungsgerichts schlossen sich der Argumentation der Vorinstanz an. Das strenge nordrhein-westfälische Nichtraucherschutzgesetz gelte nicht für die Verdampfer. Weil bei E-Zigaretten kein Tabak verbrennt, sondern nikotinhaltige Flüssigkeit verdampft werde, handele es sich nicht um Rauchen, argumentierten die Richter. Zudem seien die Gefahren für Dritte nicht mit denen des Zigarettenqualms vergleichbar. Eine Revision wurde nicht zugelassen (Az.: 4 A 775/14).

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, kommentierte das Urteil aus Münster zurückhaltend: "Die Gefahren, die auch von E-Zigaretten ausgehen, dürfen nicht unterschätzt werden. Ich empfehle daher den Bundesländern, bestehende Regelungslücken bei Bedarf zu schließen. Die Urteilsbegründung bleibt jedoch zunächst abzuwarten."

Dem Bundesfinanzminister kann das alles egal sein. Von Juli bis September 2014 nahm er mehr Tabaksteuer ein als ein Jahr zuvor. Insgesamt wurden in dieser Zeit Tabakwaren im Verkaufswert von 6,8 Milliarden Euro versteuert. Das waren 49 Millionen Euro oder 0,7 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Hinzu kommt die Umsatzsteuer aus dem Verkauf der E-Zigarette und der dazugehörigen Liquids. Die Einführung einer Dampfsteuer in dieser Legislatur kann ausgeschlossen werden. Das lässt der Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot nicht zu.

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