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Zankapfel. 180 Meter, 43 Stockwerke, 520 Millionen. Die Zahlen zum „Tour Triangle“ sind beeindruckend. Die Ausmaße des Streits um den Bau sind es auch.

© Herzog & De Meuron

Streit um Wolkenkratzer: Der "Tour Triangle" in Paris: Turm der Zwietracht

Wegen eines geplanten Wolkenkratzers streitet Paris über seine Identität als historische, moderne Stadt.

London baut in die Höhe, Paris bleibt in Bodennähe. Vorläufig jedenfalls. Nach der Niederlage, die sie bei der Abstimmung über den Bau eines 180 Meter hohen Büroturms am Rand von Paris erlitt, will Bürgermeisterin Anne Hidalgo ein neues Votum über das umstrittene Projekt herbeiführen. „Es unwürdig, wie die, die unseren Niedergang voraussagen, sich den Luxus erlauben, gegen ein Vorhaben zu sein, das so viel Potenzial enthält“, sagte die Sozialistin an die Adresse der konservativen Oppositionspartei UMP, die gemeinsam mit Zentristen und Grünen ihre städtebauliche Ambition zu Fall gebracht hatte.

Es geht um den „Tour Triangle“, einen dreieckigen Turm, 43 Stockwerke hoch mit 80 000 Quadratmetern Bürofläche, der sich wie eine riesige Pyramide nach oben verschlankt. Entstehen soll er auf dem Pariser Messegelände an der Porte de Versailles im 15. Arrondissement. Mit seinen 180 Metern Höhe würde der futuristische Glasbau nach Eiffelturm (324 m) und Tour Montparnasse (210 m) das dritthöchste Gebäude der französischen Hauptstadt sein. Im Vergleich mit London, das mit „The Shard“ das mit 310 Metern höchste Gebäude der EU aufweist und mit Moskau, wo sieben der acht höchsten Wolkenkratzer Europas im neuen Geschäftsviertel „Moscow City“ über der Stadt thronen, wäre der Dreiecksturm nur ein Zwerg.

Doch für Paris käme dieser große Zwerg einer städtebaulichen Revolution gleich. Zum ersten Mal seit 1973, als die Bewohner der Hauptstadt vom Anblick des Montparnasse-Turms, einer architektonischen Scheußlichkeit „traumatisiert“ wurden, wie es der Architekt Christian de Portzamparc ausdrückt, würde sich Paris wieder zeitgenössischen Bauideen öffnen. Nicht höher als 37 Meter durfte seit 1973 an der Seine gebaut werden. 62 Prozent der Pariser sind laut einer Umfrage vom Mai damit einverstanden.

Schon der alte Bürgermeister wollte mehr architektonische Vielfalt

Schon Hidalgos langjähriger Vorgänger, Bertrand Delanoe, hatte sich für eine solche Öffnung eingesetzt. „Wenn wir das nicht ändern, wird die moderne Architektur in Paris keine Spuren hinterlassen“, hatte er sich beklagt. Mit dem Dreiecksturm hoffte er, noch in seiner Amtszeit den Durchbruch zu erzielen, stieß jedoch auf viele Widerstände, an denen sich jetzt auch seine Nachfolgerin Hidalgo die Zähne ausbeißt.

Für 520 Millionen Euro will der Bauriese Unibail-Rodamco den Wolkenkratzer nach den Plänen des Schweizer Architektenbüros Herzog & de Meuron hochziehen, das in London das Museum Tate Modern realisierte und in Basel mit dem Kunstzentrum Schaulager einen spektakulären Erfolg erzielte. Dass Stararchitekten nicht unbedingt eine Garantie für Erfolg sind, zeigt indes nach Meinung der Gegner des Projekts das finanzielle Desaster der Elbphilharmonie in Hamburg, die auch von dem renommierten Schweizer Büro entworfen wurde.

In der Kontroverse über das Für und Wider des Dreiecksturm stehen sich Modernisierer und Bewahrer unversöhnlich gegenüber. In der Debatte im Pariser Stadtrat warf die sozialistische Bürgermeisterin der Führerin der konservativen UMP, Nathalie Kosciusko-Morizet vor, sie wolle „Paris zu einem Museum machen“. Diese hielt Hidalgo entgegen, ihre Vorstellungen von moderner Architektur seien „von gestern“. Hochhäuser mit Glasfassaden seien nichts Zukunftsweisendes und nur noch in Südostasien und in der Golfregion als modern angesehen.

Die Debatte im Pariser Stadtrat drehte sich vor allem um wirtschaftliche, ökologische und soziale Fragen. Die Opposition begründete ihre Ablehnung damit, dass es in Paris derzeit 800 000 Quadratmeter leer stehenden Büroraum gebe, so dass zusätzliche 80 000 Quadratmeter wirtschaftlich unsinnig seien. Stattdessen sollte die Stadt lieber ihr Versprechen einlösen, leer stehende Büros endlich in Wohnungen umzuwandeln. Dies versuchten die Befürworter mit dem Argument zu widerlegen, dass es sich bei den leer stehenden Büros um kleine Einheiten handele. Was fehle, seien große Büros für global agierende Unternehmen. Die Grünen, obwohl mit den Sozialisten in der Stadtregierung verbündet, brachten als Argument vor, Paris brauche weniger Büros als vielmehr administrativ und steuerlich günstige Rahmenbedingungen für Unternehmen. Im Übrigen, so ein Abgeordneter, würde der ins Messegelände eingepflanzte Turm dort wie ein Fremdkörper wirken – ohne Anbindung an ein lebendiges Viertel mit Wohnungen, kleinen Geschäften, Gaststätten und Hotels.

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