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Studie: Treue – ein Zeichen für Klugheit

Polygame, konservative und religiöse Männer sind weniger intelligent, behauptet eine Londoner Studie. Es ist eine gute Nachricht für Frauen - aber ein Zweifel bleibt.

„Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“, dichteten die 68er. Vielfältige sexuelle Erfahrungen zu sammeln war damit zum Ausweis fortschrittlicher politischer Gesinnung und der Fähigkeit zu kreativem, erneuerndem Denken geworden – vor allem für Männer. Dass die alte Maxime maßlos überzogen ist, haben viele ihrer Verfechter längst selbst eingesehen. Aber stimmt deshalb das Gegenteil? Sind intelligente Menschen womöglich besonders treu? Oder umgekehrt die, die fremdgehen, dümmer?

Solche Schlüsse legt eine Studie des Psychologieprofessors Satoshi Kanazawa von der London School of Economics and Political Science nahe, die jetzt im „Social Psychological Quarterly“ veröffentlicht wurde. Kanazawa hat im Rahmen einer Langzeitstudie über die Gesundheit von jungen Erwachsenen über 20 000 Absolventen aus hunderten amerikanischer Schulen über einen längeren Zeitraum mehrmals befragt und mit einem Test ihren Intelligenzquotienten gemessen. Heraus kam: Diejenigen Männer, die im Test am besten abschnitten, hielten auch am meisten von Treue in der Partnerschaft. „Intelligentere Männer schätzen sexuelle Exklusivität und Monogamie mehr als weniger intelligente Männer.“ Bei den befragten Frauen – die allesamt der Treue positiver gegenüberstanden – ließ sich ein solcher Zusammenhang nicht ermitteln.

Kanazawa hat dafür eine Erklärung zu bieten, die auf den ersten Blick verwundern mag: Monogam zu leben sei für Männer relativ neu, nur die intelligentesten seien flexibel genug, um diese Leistung zu erbringen. Er stützt sich dabei auf die anerkannte Tatsache, dass das Persönlichkeitsmerkmal „Offenheit für Neues“ bei intelligenten Menschen stärker ausgeprägt ist. Für Frauen sei dagegen die Monogamie die gewohnte Lebensform.

Der Evolutionspsychologe denkt dabei nicht in der Dimension von einigen – durch das christliche Eheverständnis geprägten – Jahrhunderten. Er denkt an unsere Vorfahren vor mehreren Millionen Jahren und den Fortpflanzungserfolg, der für Männer und Frauen über unterschiedliche Strategien optimiert wurde. Männer seien traditionell deshalb „leicht polygyn“ orientiert. „Heute dagegen sind wir im Evolutionsstadium sexuell exklusiver Beziehungen angelangt“, meint der Psychologe. Kein Wunder also, wenn diejenigen Männer, die dank ihrer Intelligenz die Zeichen der Zeit schneller und besser erkennen als ihre Geschlechtsgenossen, sich zur Treue bekennen.

Die These, dass intelligentere Individuen mit größerer Wahrscheinlichkeit Werte aufnehmen und in ihr Leben integrieren können, die evolutionsgeschichtlich neu sind, hat Kanazawa auch durch andere Fragen zu stützen versucht. Neben der Treue waren in den Befragungen die politische Position und die Haltung gegenüber der Religion zwei wichtige Themen. Dabei zeigte sich – übrigens diesmal bei Frauen wie bei Männern: Die Befragten mit dem höheren IQ neigten politisch eher „linken“ Positionen zu. Sie äußerten zum Beispiel häufiger, dass gut Verdienende höhere Steuern zahlen sollten, um sozial Schwächere unterstützen zu können. Und sie erwiesen sich unter dem Strich als eher religionsfern.

Ist das das Profil des intelligenten Menschen von heute: atheistisch, links und sexuell treu? Bei der Interpretation dieser interessanten Studie sei höchste Vorsicht geboten, mahnt der FU-Biopsychologe Peter Walschburger. Und das nicht nur, weil statistische Zusammenhänge kaum etwas praktisch Bedeutsames über einzelne Menschen aussagen. Sondern auch, weil man durchaus gläubig oder konservativ sein könne, ohne sich allem Neuen zu verschließen. „Aus psychologischer Sicht würde ich mit dem Soziologen Max Weber einen Unterschied machen zwischen Menschen, die an alten Strukturen festhalten und sich deshalb dem Neuen verschließen, und anderen, die konservativ sind, weil sie Werte retten wollen.“

Als ein solcher Wert gilt zum Beispiel die eheliche Treue. Macht es die Intelligenz einem Mann wirklich leichter, auf Seitensprünge zu verzichten? Auch hier gibt es gute Gründe zur Skepsis. So ist aus psychologischen Studien zwar bekannt, dass Kontrollfunktionen des Gehirns bei Menschen mit hohem IQ tendenziell besser funktionieren. Andererseits wächst mit der Intelligenz aber auch die Offenheit für neue Erfahrungen. „Und die Lust zum Seitensprung geht von Strukturen und Impulsen des Gehirns aus, denen das reflexive Bewusstsein meist nur wenig entgegenzusetzen vermag“, sagt Walschburger.

Dass die klügsten Männer auch die treuesten sind, ist eine Nachricht, die Frauen freuen dürfte. Ein kleiner Zweifel bleibt: Waren die Klügeren einfach nur besser in der Lage zu erkennen, welche Antwort heute von einem Mann erwartet wird?

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