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Südafrika: Justiz befindet: Männer können nicht vergewaltigt werden

1000 Vergewaltigungen pro Woche - Südafrikas offizielle Statistik liest sich wie die eines Bürgerkriegslands. Nur fünf Prozent aller Straftäter werden verurteilt, denn sexuell misshandelte Männer oder Jungen sind statistisch kaum erfasst.

Johannesburg - Vor allem Vergewaltigung von Jungen und Männern gilt dabei eher als von untergeordneter Bedeutung, wie das Verfassungsgericht gerade bestätigte. Nur für Frauen gibt es einen kleinen Hoffnungsschimmer. Denn das höchste Gericht des Landes hält seit neuestem erzwungenen Analverkehr mit Frauen, aber nicht mit Männern für Vergewaltigung.

Richter Justice Nkabinde sorgte am Donnerstag mit seinem Spruch für gemischte Reaktionen in dem Land, dessen Vergewaltigungsraten auch Soziologen immer wieder verblüffen. "Wir sind angewidert. Das ist Männer-Diskriminierung", entrüstete sich im Rundfunk die Leiterin einer Aktionsgruppe, die zehn Jahre für eine Änderung des Gesetzes gekämpft hat. Denn auch bei Frauen wurde erzwungener Analverkehr bislang als Notzucht gewertet. Nach den alten Definitionen gab es 2005/2006 offiziell 55.000 vergewaltigte Frauen - die Dunkelziffer liegt allerdings vermutlich weitaus höher. Pro Tag sind das im Schnitt 150 Vergewaltigungen - 40 Prozent der Opfer sind Kinder.

Vergewaltigung als Norm

Richter Nkabinde selbst sprach nach seiner Urteilsverkündung einen Mann vom Vorwurf der Vergewaltigung frei, der ein neun Jahre altes Mädchen zum Analverkehr gezwungen hatte. Nach Überzeugung des Richters kann die neue Definition für den Straftatbestand Vergewaltigung nicht rückwirkend angewandt werden, so dass dem Mann lediglich Notzucht mit Minderjährigen vorgehalten werden kann.

Sexuell misshandelte Männer oder Jungen sind statistisch kaum erfasst. In den überbelegten Gefängnissen gilt die Vergewaltigung männlicher Häftlinge fast schon als Norm. Auch Hauseinbrüche gehen oft mit Gruppenvergewaltigungen einher - ohne Unterschied von Alter oder Geschlecht. Angesichts einer der höchsten Aids-Raten der Welt kommt eine solche Misshandlung für viele Opfer oft einem Todesurteil gleich. Lobbygruppen befürchten, dass die Tendenz zur Anzeige eines solchen Deliktes nun noch geringer wird.

Zerrissene Familienstrukturen

Denn für Notzucht sind untergeordnete Gerichte zuständig, und die Strafen angesichts übervoller Gefängnisse oft relativ milde. "Das Trauma der Männer wird nicht anerkannt und obendrein macht man sich über die Opfer auch noch lustig", meinte eine Mitarbeiterin der in Kapstadt ansässigen Hilfsgruppe Rape Crisis im Rundfunk.

Schlüssige Erklärungen für die schier unglaubliche Brutalität, die die Kriminalität im Kap-Staat begleitet, sind weiter Mangelware. Mal ist es das Erbe der vor anderthalb Jahrzehnten beendeten Apartheid, das als Ursache bemüht wird, mal der Aberglaube, Sex mit Jungfrauen helfe gegen die Immunschwächekrankheit Aids. Doch in einem Land, in dem weder Babys noch betagte Seniorinnen vor Vergewaltigungen sicher sind, greift diese Erklärung zu kurz. Soziologen verweisen vielmehr auf zerrissene Familienstrukturen, die durch die Aids-Epidemie im Lande immer weiter aufklaffen.

Aids-Waisen landen auf der Straße oder finden Unterschlupf bei Banden, die sich ihren Unterhalt mit Raub oder Diebstahl sichern. Der Wert von Menschenleben gilt dabei als gering. Kein Wunder, dass selbst Südafrikas Nachbarn warnten, dass die extrem brutale Gewalt die demokratischen Strukturen des Kap-Staates schädigen könnte. (Von Ralf E. Krüger, dpa)

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