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Panorama: "Südlich von Abisko": Gottes trostlose Baustelle

Die deutschen Erzähler meiden den Norden, er gilt ihnen als kalt, leblos, tot. Je höher der Norden, desto gemächlicher das Leben, vielleicht reduzierter, vielleicht wahrhaftiger, wer weiß es schon.

Die deutschen Erzähler meiden den Norden, er gilt ihnen als kalt, leblos, tot. Je höher der Norden, desto gemächlicher das Leben, vielleicht reduzierter, vielleicht wahrhaftiger, wer weiß es schon. Denn die Menschen sind Feueranbeter, sie folgen der Sonne, auch wenn sie sich dabei verbrennen.

Anders Harald Behringer, ein deutscher Übersetzer in Stockholm, der eines Tages spontan nach Abisko aufbricht, ganz oben im lappländischen Schweden, zu einem Ort, der nur deshalb in unseren Atlanten steht, weil es dort sonst nichts gibt. Reisen ist traditionell ein Medium der Selbstbegegnung, und Behringer möchte der "monströsen Maschinerie" des Alltags entfliehen. Er ist ein dicklicher Misanthrop, der den Leuten ihre kleinen Vergnügungen nicht gönnt, der von der "trostlosen Baustelle" Gottes spricht, "die man Wirklichkeit nennt", der ohne Emphase mit einer lebenstüchtigen Krankenschwester zusammenlebt, dem alles lästig und das Dasein sinnlos erscheint.

Stockholm, südlich von Abisko gelegen, ist für ihn eine Art Zwischenreich. Einmal - das Phantastische bricht ein in die Welt - imaginiert sich der verträumte Griesgram ein Café als ein Grenzreich, in dem sich Gegenwart und Vergangenheit berühren. Hier begegnet unser phlegmatischer Held einem Mystagogen mit dem bezeichnenden Namen Fahlbeck, sowie seiner Schwester Pia, die vor Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen ist und nun auf "Erlösung" hofft.

Auch der Leser hofft auf Erlösung, wenn er sich durch diese unbewegliche, über weite Strecken spannungslose Prosa hindurchquält, deren Bilder Behauptungen bleiben und deren Tonfall kaum Abwechslung bietet. In liebloser Mimesis erschöpft sich die Darstellung der Malin, die sich am Ende von Behringer trennen wird. Die Fragen nach der Theodizee, nach der Güte und Gerechtigkeit Gottes, erbringen keine neuen Aspekte, der Magische Realismus, der hier beschworen werden soll, aber mit keiner gesteigerten Wahrnehmungsintensität einhergeht, bleibt epigonal. Klaus Böldl bietet mit seiner schmalen Erzählung, die den Leser selbstgenügsam ausschließt, erstaunlich viel Leerlauf.

Lutz Hagestedt

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