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Fing mit elf an, Demobänder zu verteilen. Taylor Swift.

© picture alliance / abaca

Swift, Rose, Lady Antebellum: Countrysängerinnen erobern Hochburgen des Pop.

Lady Antebellum, Taylor Swift und Caitlin Rose: Country-Musik gilt nicht mehr als provinzielle Eigenart amerikanischer Südstaatler.

Früher einmal galt Country-Musik als provinzielle Eigenart amerikanischer Südstaatler, heute erobern diese Klänge die Zentren der Popmusik. Bei den GrammyAwards vor einer Woche sahnte die bislang unbekannte Gruppe Lady Antebellum mit dem Song „Need You Now“ ganz groß ab. Das Countrytrio aus Tennessee bekam gleich fünf Preise. „Need You Now“ wurde in gleich zwei der drei wichtigen Kategorien geehrt, als bester Song und als beste Aufnahme des Jahres 2010. Den Einbruch der Countrymusik in die Pop-Hochburgen hatten zuvor schon zwei andere Sängerinnen eingeleitet – Taylor Swift und Caitlin Rose. Drei Alben hat Taylor Swift bis heute veröffentlicht, über 13 Millionen Tonträger von ihr gingen über die Ladentheke. Sie hatte im Vorjahr die Grammy-Verleihung aufgemischt. Dass es in diesem Jahr ein weiteres Mal gelang, der Country-Musik zum Durchbruch zu verhelfen, spricht für einen nachhaltigen Trend. Auf den weißen Schultern von Taylor Swift, auf ihrem zerbrechlich wirkenden Körper, auf ihrer Stimme ruhen zu einem nicht unerheblichen Teil die Hoffnungen der gebeutelten US-Musikindustrie. Taylor Swift hat auch deshalb schon so ziemlich jeden Preis, den das Business zu vergeben hat, bekommen. Der Rest der Verwertungskette funktioniert ebenfalls: Erste Filmrollen, eigene Parfum-Marke, Werbung, Magazintitel, Fanartikel – das Karussell dreht sich.

Warum das gerade mit der 21-jährigen Taylor Swift so gut klappt, ist nicht ganz klar: Sie sieht süß aus, sicherlich, sie singt gut, ihre Songs sind o.k., aber das trifft auf hunderte, vielleicht sogar tausende amerikanische Sängerinnen zu, die an ihrer Karriere basteln, aber niemals so weit kommen werden. Vielleicht hat es etwas mit dem Willen zum Erfolg zu tun? Über Taylor Swift wird die schöne Geschichte erzählt, dass sie schon als Elfjährige in die Country-Hauptstadt Nashville reiste und dort bei so ziemlich jedem Plattenlabel ihre selbstbesungenen Demo-Tapes abgab, wenn auch vergebens. Als Nächstes – mit zwölf! – schrieb sie einen Sommer lang an einem Roman, auch den wollte niemand veröffentlichen. Die nächsten Stationen: Als 14-Jährige wird sie als Songschreiberin unter Vertrag genommen, mit 15 kommt der ersehnte Plattenvertrag, das selbstbetitelte Debütalbum, das zwei Monate lang die Billboard-Country-Charts anführt, der Umzug nach Nashville. Und auch wenn es als Musiker genauso schnell zu Ende sein kann, wie es angefangen hat: Man musste kein Prophet sein, um Taylor Swift eine große Karriere vorauszusagen. Album zwei („Fearless“) und drei („Speak Now“), die im Zwei-Jahres-Rhythmus erscheinen, untermauerten das, auch, weil hier noch mal leicht die Richtung geändert wird: Taylor Swift und ihr Management peilen neue Käuferschichten an, sie machten die Musik poppiger, die Haare dunkler, die Kleider, in denen sie sich ihre Preise abholt, schicker. Nicht Dolly Parton mit Wasserstoff-Mähne und comicartigen Busenausmaßen ist das Vorbild, sondern ... viele verschiedene: Taylor Swift ist ein bisschen Sex in the City, ein bisschen Nashville, ein bisschen Celine Dion. Sie wirkt wie eine Nicole Kidman, die singen kann. Was das alles mit Country zu tun hat? Eine ganze Menge. In der Countrymusik ging es immer darum, dass die Musiker über das singen, was sie erlebt und was sie daraus gelernt haben. Hank Williams, vielleicht der wichtigste, vor allem aber der erste Star des Genres, sang über das Saufen, die Frauen und über den Abstieg. Mit 29 fand man ihn tot auf der Rückbank seines Wagens, Schmerzmittel und Alkohol hatten sein Herz zum Stillstand gebracht. Auch Taylor Swift singt über das, was sie erlebt hat. Es geht um Liebe, Romantik, Herzschmerz, ein Teil der jungen Männer, um die sich ihre Songs drehen, ist dank des Internets und ihrer Fans bereits identifiziert.

Eines allerdings fehlt noch für die perfekte Choreografie: eine ebenbürtige Gegnerin, eine Anti-Taylor-Swift! Hip-Hop-Schwergewicht Kanye West hat 2009 versucht, diesen Platz einzunehmen, konnte als Mann aber nur kurzzeitig in dieser Rolle überzeugen. Seinen Auftritt bei den MTV VideoMusic Awards, als er die Bühne stürmte und erklärte, nicht Taylor Swift, sondern die Sängerin Beyoncé hätte den Preis für das beste Video verdient, dürfte Taylor Swift trotzdem ihr Leben lang nicht vergessen.

Eine andere Art von Gegenstück erschien vor ein paar Monaten auf der Bildfläche, die Sängerin Caitlin Rose. Caitlin Rose ist 23, wohnt ebenfalls in Nashville, hat im vergangenen Sommer ihr selbstgeschriebenes Debütalbum „Own Side Now“ veröffentlicht und viele halten sie und ihre Musik für das beste, das der Country-Musik seit Ewigkeiten passiert ist. Caitlin Rose raucht stark, sie ist in der jungen Musikszene von Nashville verankert, sie interessierte sich früher nicht für Country, sondern für Punk, sie geht in Bars und sie trinkt Alkohol. Mit einem Satz: Sie macht all die Dinge, von denen man bei der wohlbehüteten Taylor Swift nicht weiß, ob sie sie macht.

Musikalisch liegen zwischen Caitlin Rose und Taylor Swift nicht unbedingt Welten, sie singen über ähnliche Themen, teilen eine melancholische Grundstimmung und erzählen Geschichten, die ihre meist jugendlichen Fans erreichen. Und doch geht es in unterschiedliche Richtungen: Caitlin Rose hat sich den Outlaw Willie Nelson als Vorbild ausgesucht, einen, der sich einst von den „kommerziellen Fesseln“ und dem als typisch angesehenen Sound des Nashville-Country befreite und damit viel Geld verdiente. Ihre Songs klingen natürlich und auf das Wesentliche reduziert, in ihnen spiegeln sich aber auch die 70er und die Suche nach dem perfekten Lied wider. Ihr Credo: „Natürlich mag ich gute Songs. Aber wenn jemand nicht ehrlich meint, was er singt, dann kümmert mich seine Musik einen Dreck.“

Taylor Swift eifert dagegen Shania Twain nach – wie die Kanadierin reichert sie ihre Songs mit Popelementen an, schreckt vor großer Produktion und elektronischen Hilfsmitteln nicht zurück, bedient sich hier beim Alternative Rock, dort an der Kitsch-Ballade. Das versetzt die beiden Frauen an die unterschiedlichen Ende der Country-Skala.

Noch gibt es gibt für Caitlin Rose keinen Masterplan, auch wenn ihre exzessiven Touren durch England zeigen, dass sie es wohl eher durch die Hintertür schaffen möchte. Die Idee ist nicht schlecht, in Großbritannien haben es in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Musikerinnen geschafft, in ihrem jeweiligen Genre zum Aushängeschild zu werden. Caitlin Rose, die Amy Winehouse des Country?

Caitlin Rose tritt am Mittwoch im Comet Club in Kreuzberg auf.

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