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Teehaus-Kultur: Rauchverbot auf Türkisch

20 Millionen Türken rauchen. 15 Millionen Zigaretten-Päckchen gehen täglich über die Ladentische. Man trifft sich zum Tee - und zündet sich eine Zigarette an. Typisch türkisch. Doch damit wird es bald vorbei sein, denn ab Sonntag sind Glimmstängel nun auch in Teehäusern tabu.

Für Safet Bosyer geht eine schöne Zeit zu Ende. Fast täglich besucht der Rentner sein angestammtes Teehaus im Istanbuler Kleineleuteviertel Kasimpasa, bekommt vom Kellner einen dampfenden Tee in einem tulpenförmigen Glas serviert, zündet sich eine Zigarette an, liest die Zeitung oder trifft sich mit Freunden. Die Luft im Raum ist rauchgeschwängert, auch an den anderen Tischen sitzen Männer, rauchen und spielen Karten, in der Ecke steht ein Billardtisch. Alles ist so, wie es sein soll, findet Bosyer. Doch an diesem Sonntag ist Schluss mit der Idylle: Dann tritt in der Türkei ein landesweites Rauchverbot in Kraft.

Für Bosyer und andere Stammgäste hier ist das eine Ungeheuerlichkeit. „Ich bin dagegen, dass sich der Staat hier einmischt“, schimpft der 71-Jährige und fuchtelt drohend mit seinem Feuerzeug in der Luft herum. Gegen das schon seit dem vergangenen Jahr bestehende Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln sowie in Taxis habe er ja nichts. „Aber hier beschneidet man meine Freiheit.“

Von dieser Freiheit machen mehr als 20 Millionen der rund 70 Millionen Türken Gebrauch. Und wie. Rund 15 Millionen Päckchen Zigaretten jagen sich die Türken jeden Tag durch die Lungen, selbst jeder zweite Arzt raucht. Experten warnen vor unabsehbaren Folgen für das Gesundheitssystem, wenn der Trend nicht gestoppt wird.

Nicht zuletzt auf Initiative des Ministerpräsidenten und militanten Nichtrauchers Recep Tayyip Erdogan beschloss das Parlament im Januar vergangenen Jahres ein Nichtrauchergesetz. Zunächst wurden Zigaretten im öffentlichen Nahverkehr und in Einkaufszentren verboten. Gastronomiebetriebe und damit auch die Teehäuser erhielten damals eine 18-monatige Gnadenfrist – und die läuft an diesem Sonntag ab.

Umgerechnet 32 Euro muss ein Teehausbesucher wie Bosyer ab Sonntag an Strafe zahlen, wenn er beim Rauchen erwischt wird, das ist viel Geld in der Türkei. Für die Teehausbetreiber wird es noch wesentlich teurer: Bis zu 2600 Euro Strafen drohen ihnen, wenn sie das Rauchverbot ignorieren. Auch in Cafés, Bars, Restaurants und Nachtclubs soll Schluss sein mit den Glimmstängeln, erlaubt werden sie nur noch auf der Straße und in Freiluftlokalen sein. Nach einer Umfrage unterstützen 90 Prozent aller Türken und sogar fast 70 Prozent der Raucher das Verbot. „Am Wochenende wird die Türkei in einer rauchfreien Zeit aufwachen“, kommentierte eine Zeitung.

Ganz so einfach wird es aber möglicherweise nicht werden. Die Türkei hat in den vergangenen Jahren schon so manches Reformgesetz beschlossen, doch die Umsetzung lässt meistens sehr zu wünschen übrig. Schon die bestehenden Rauchverbote etwa in Einkaufszentren würden regelmäßig umgangen, beklagte sich ein Nichtraucherverband. Dass die Behörden ab Sonntag in jedem der 250 000 Teehäuser in der Türkei nach Rauchern fahnden, ist kaum anzunehmen. Zumal viele Beamte in ihrer Freizeit auch zu den rauchenden Teehausgästen zählen. Teehausbetreiber und Zigarettenindustrie machten in den Tagen vor dem Verbot mobil und protestierten gegen das Gesetz, das nach ihrer Ansicht erhebliche Einnahmeverluste nach sich ziehen wird.

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