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Diese Tasche wurde am Bonner Hauptbahnhof abgestellt.

© AFP

Update

Terrorismus: Spur im Bonner Bombenalarm führt in das Salafistenmilieu

Nach dem Fund einer Sprengstofftasche auf dem Bonner Hauptbahnhof hat die Polizei eine öffentliche Fahndung eingeleitet. Die Spur führt in die Bonner Salafistenszene.

Möglicherweise haben Jugendliche am Bonner Hauptbahnhof einen islamistischen Terroranschlag in Deutschland vereitelt. Wie aus Sicherheitskreisen am Dienstag verlautete, informierten mehrere Jugendliche am Montag die Polizei, weil sie zwei Männer beobachtet hatten, die am Bonner Hauptbahnhof eine Tasche abgestellt hatten und nicht wieder zurückgekehrt waren. Die Bundespolizei inspizierte die Lage vor Ort, und Experten beförderten das Gepäckstück zunächst vom Wartesaal auf die Gleise, um es dort zu mithilfe eines Wasserstrahls zu sprengen. Auf Fahndungsbildern, die den Jugendlichen vorgelegt wurden, konnten sie Personen identifizieren. So führte die Spur in die Bonner Salafistenszene, wo es am Dienstagmittag auch die erste Festnahme gab. Dabei soll es sich um einen gebürtigen Somalier handeln.

Bei der Sprengung stellten die Beamten „potenziell entzündliches Material“ fest. Ob es sich tatsächlich um einen Sprengsatz oder nur eine Attrappe handelt, war bis Dienstagabend unklar. Es werde mit Hochdruck an der Rekonstruktion gearbeitet, hieß es bei der Polizei Köln. Die Beamten suchen nun weitere Zeugen. Ungeachtet der Berichte über Festnahmen nach dem Bombenalarm hatte die Polizei eine Öffentlichkeitsfahndung gestartet. Sie gab das Fahndungsbild eines Gesuchten heraus, den ein 14-Jähriger Schüler als Zeuge beschrieben habe. Der Mann sei dunkelhäutig, 30 bis 35 Jahre alt, 190 Zentimeter groß und schlank. Er habe eine schwarze Mütze, schwarze Stiefel und eine braun-graue Jacke getragen.

Phantombild des Gesuchten.
Phantombild des Gesuchten.

© dpa

Sicherheitskreise hatten eine erste Festnahme am Montag bestätigt. Die Behörden hätten einen gebürtigen Somalier mit dem Namen Omar D. festgenommen, hieß es am Dienstag. Der Mann sei in der Bonner Islamistenszene sehr bekannt. Laut „Focus“ wurde er in der Bonner Innenstadt kurz nach 13.30 Uhr festgesetzt. Er sei von Jugendlichen identifiziert worden. Gegenwärtig werde überprüft, ob er tatsächlich am Tatort auf dem Bonner Hauptbahnhof war. Dies werde anhand von Telefondaten ermittelt.

Unbestätigten Medienberichten zufolge ging ein zweiter Verdächtiger den Fahndern ebenfalls in der früheren Bundeshauptstadt ins Netz. Zunächst war von einem Abdirazak B. die Rede, später nannten „Spiegel Online“ und „Bild.de“ den Namen Abdifatah W. Omar D. und Abdirazak B. sollen miteinander befreundet und den Sicherheitsbehörden seit Jahren als Mitglieder der militanten Bonner Islamistenszene bekannt sein.

Die Milieus der Salafisten sind laut Sicherheitsexperten nur lose strukturiert. Allerdings gebe es immer wieder Verbindungen zu Terrororganisationen. Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, sagte im Tagesspiegel-Interview im Sommer: „Wir schätzen das Gesamtpotenzial von Salafisten in Deutschland auf rund 3800 Personen, mit steigender Tendenz.“ Der Übergang vom rein politischen Salafismus zum dschihadistischen, also gewaltgeneigten Salafismus sei fließend. Im Juni hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) den salafistischen Verein Millatu Ibrahim verboten und entsprechende Verfahren gegen die Gruppierungen Dawa FFM und „Die wahre Religion“ eingeleitet.

Vor allem in Nordrhein-Westfalen ist die Szene aktiv. Gerade in Bonn. Im Mai kam es bei einer Demonstration der rechtspopulistischen Splitterpartei „Pro NRW“ zu Ausschreitungen. Die Lage war eskaliert, nachdem Anhänger von „Pro NRW“ Mohammed-Karikaturen in die Höhe gehalten hatten. Ein Salafist stach auf zwei Polizeibeamte ein und wurde dafür vom Landgericht Bonn zu sechs Jahren Haft verurteilt – wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Einen tödlichen Anschlag mit salafistischem Hintergrund gab es im März 2011 auf dem Flughafen in Frankfurt am Main. Der Kosovare Arid Uka tötete damals zwei Amerikaner und verletzte zwei weitere schwer. Uka wurde maßgeblich durch salafistische Online-Propaganda radikalisiert.

Bis Dienstagnachmittag lag die Federführung der Ermittlungen noch bei der Polizei Köln, die vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen unterstützt wird. Man arbeite aber mit anderen Sicherheitsbehörden im gesamten Bundesgebiet eng zusammen, hieß es bei der Kölner Polizei. In Sicherheitskreisen wurde erwartet, dass die Generalbundesanwaltschaft und das Bundeskriminalamt die Ermittlungen übernehmen werden. Am Dienstagnachmittag war das noch nicht der Fall. Bernhard Witthaut, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, warnte davor, die Terrorgefahr aus dem islamistischen Umfeld zu unterschätzen. „Bei aller Notwendigkeit, die NSU-Affäre sorgfältig aufzuklären, dürfen keinesfalls personelle Ressourcen in Verfassungsschutz, Staatsschutz und Kriminalpolizei aus der Beobachtung und Bekämpfung des gewaltbereiten Islamismus abgezogen werden“, sagte Witthaut.

Der Hergang weckt Erinnerungen an das Jahr 2006. Damals versuchten ebenfalls Islamisten mithilfe von Kofferbomben einen Anschlag auf zwei Regionalzüge zu verüben. Dass es nicht so weit kam, lag nur daran, dass die Bomben aus technischen Gründen nicht explodierten. (mit dpa)

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