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Tötung von Mirco: Mörder aus Stress?

Ein Familienvater gesteht die Tötung von Mirco aus Grefrath. Beruflich stand er offenbar sehr unter Druck.

Er war ein ganz einfacher Mann, der nette Nachbar. Unscheinbar, unauffällig, ohne Vorstrafen. Selbst Vater von drei Kindern – zwei, 14 und 17 Jahre alt. Menschen aus seinem Umfeld beschreiben ihn als fürsorglichen Papa und Familienmenschen. Seine Hobbys sind sein Garten und seine Kinder. Doch am 3. September wird aus Olaf H. ein Mörder.

Das Bild, das die Polizei in Mönchengladbach am Freitag von dem Täter zeichnet, ist auf den ersten Blick sehr normal. Umso erschreckender ist das Motiv: Olaf H. hat den kleinen Mirco aus Grefrath, damals zehn Jahre alt, vermutlich „aus beruflichem Stress“ und Frust umgebracht, wie Ingo Thiel, Leiter der Sonderkommission „Mirco“, am Freitag zu erklären versuchte. „Mirco ist ein absolutes Zufallsopfer gewesen“, sagte er. Der Junge sei zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen – an dem Olaf H. am Abend des 3. Septembers mit dem Auto „herumfährt“: Er sieht Mirco am Straßenrand auf dem Fahrrad, schneidet ihm den Weg ab und fordert ihn auf einzusteigen. Mirco ist geschockt und wehrt sich nicht. H. fährt mit ihm zwölf Kilometer zu einem Waldstück. Dort zieht er den Jungen aus, vermutlich missbraucht er ihn sexuell. Dann bringt er ihn um. H. habe gedacht: „Den kannst du nicht mehr nach Hause lassen“, sagt Thiel.

Sein Chef habe ihn vor der Tat telefonisch zusammengefaltet, hat der 45-Jährige den Polizisten bei seinem Geständnis erzählt. Am Mittwoch hatten die Ermittler H. festgenommen – 145 Tage, nachdem Mirco verschwunden war.

Niemand in der Nachbarschaft hatte etwas gemerkt. Ein Nachbar gehörte zu den suchenden Polizisten. Arbeitskollegen – H. war Bereichsleiter bei der Telekom, zuletzt Controller – und Familie des Täters ahnten nichts. H. wollte am Tatabend mit Kollegen Fußball gucken – Deutschland gegen Belgien. Er war öfter mal mit Kollegen unterwegs.

Als die Polizei am Mittwochmorgen an der Tür zu H.s Einfamilienhaus in Schwalmtal klingelte, etwa 20 Kilometer von Grefrath entfernt, waren Frau und Kinder zutiefst geschockt und überrascht. H. selbst schien aber auf den Moment vorbereitet, vielleicht hatte er ihn sogar erwartet. „Er ist einfach mitgekommen, hat sich nicht gewehrt“, sagte Soko-Chef Thiel. Vier Stunden lang vernahmen die Beamten den Mann. Er gestand die Tat, schließlich führte er die Polizei zu Mircos Leichnam.

Eine pädophile Neigung schließen die Ermittler bei H. bislang aus. „Bei solchen Tätern geht es darum, Macht auszuüben, jemanden in ihrer Gewalt zu haben“, erklärte Thiel. Das Töten gebe ihnen ein Machtgefühl, sei ein Akt der Erniedrigung. „Hier war eine tickende Zeitbombe unterwegs“, beschrieb er die Verfassung des Täters.

Wie genau H. den Jungen umgebracht hat, ist noch unklar. Der Leichnam wird in der Gerichtsmedizin in Düsseldorf untersucht. „Die Obduktion ist eine lange Geschichte“, sagte Thiel. Der Junge lag immerhin schon fünf Monate in dem Wald.

Nach Mircos Verschwinden hatte die Polizei eine der größten Suchaktionen in der Geschichte der Bundesrepublik gestartet. Zeitweise suchten 1000 Polizisten in einem Areal von 50 Quadratkilometern nach dem Jungen. Auch Tornados der Bundeswehr wurden eingesetzt. Allerdings befand sich der Tatort sechs Kilometer außerhalb des Suchgebiets. Der Fahndungsdruck wurde derweil immer größer: Insgesamt gingen 9000 Hinweise aus der Bevölkerung ein.

Am Mittwoch war noch davon die Rede, dass das Auto des Täters, ein VW Passat, H. letztendlich überführt habe. Am Freitag sprach die Polizei aber ohne Details zu nennen von „anderen Quellen“ und „technischen Methoden“, die halfen, den Verdächtigen aufzuspüren. Das Auto war demnach nur noch der letzte Beweis.

Das Amtsgericht Krefeld hat unterdessen Haftbefehl erlassen. H. wird Freiheitsberaubung, sexueller Missbrauch, Nötigung und Mord vorgeworfen. Ob der Mann in der Vergangenheit andere Taten begangen haben könnte, schlossen die Beamten bisher nicht aus. „Wir müssen den Täter noch weiter befragen“, sagte Thiel.

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