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Transrapid-Unglück: Vermutlich Fehler in der Leitstelle

Nach dem schweren Transrapid-Unglück im Emsland verdichten sich die Hinweise auf menschliches Versagen als Unfallursache. Die Osnabrücker Staatsanwaltschaft geht inzwischen von einem Fehler in der Leitstelle aus.

Lathen - An der Unglücksstelle an der Versuchsstrecke der Magnetschwebebahn bei Lathen sicherten die Einsatzkräfte am Wochenende die Spuren. Am Sonntagmorgen trafen weitere Gutachter ein, um den zerstörten und noch beschlagnahmten Zug in Augenschein zu nehmen, wie ein Polizeisprecher sagte. Der Unfallort sei weiterhin abgesperrt. Erste Aufräumarbeiten am Boden hätten begonnen.

Bei dem Unglück waren am Freitag 23 Menschen ums Leben gekommen. Von den zehn zum Teil schwer Verletzten konnten einige laut Polizei inzwischen die Krankenhäuser wieder verlassen. In Lebensgefahr schwebe keiner von ihnen mehr. Mit den ersten Vernehmungen sei begonnen worden.

"Einer der beiden Mitarbeiter der Leitstelle hat den Transrapid offenbar losgeschickt, obwohl dokumentiert war, dass auch der Arbeitszug noch auf Stütze 120 stand", sagte Staatsanwalt Alexander Retemeyer. Dies werfe viele Fragen auf. Die manuell gefahrene Magnetschwebebahn war mit einer Geschwindigkeit von bis zu 179 Kilometern pro Stunde in den Bauwagen gerast.

Tiefensee will Sicherheitsvorkehrungen prüfen lassen

Die Mitarbeiter der Leitstelle hätten die Fahrtfreigabe für den Transrapid erst erteilen dürfen, wenn das andere Fahrzeug, das jeden Morgen Äste von der Trasse sammelt, wieder in den Bahnhof gefahren sei. Sie hätten sich persönlich überzeugen müssen, dass der Arbeitswagen die Strecke verlassen hat, sagte Retemeyer. Der Parkplatz des Werkstattwagens sei sogar in Sichtweite der Leitstelle. Die Fahrdienstleiter sollen in den nächsten Tagen vernommen werden. Derzeit stünden sie noch unter Schock.

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte sich am Samstag ein Bild von der Lage gemacht. "Wir werden prüfen, ob die Sicherheitsvorkehrungen zu 100 Prozent erfüllt worden sind", kündigte Tiefensee an, der eine China-Reise wegen des Unglücks abgebrochen hatte. Erst wenn alle Ergebnisse vorlägen, könne die Frage nach Konsequenzen für die Transrapid-Technologie beantwortet werden.

Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte sämtliche Unterlagen in der Leitstelle. Retemeyer zufolge wurde jede Zugbewegung ins Protokoll eingetragen, auch dass der Arbeitszug noch auf der Trasse war. "Der Fahrauftrag wurde also falsch erteilt, obwohl richtig dokumentiert", fügte er hinzu.

Auswertung des Funkkontakts

Derzeit werde der Funkkontakt ausgewertet. Dies sei sehr langwierig, da es zwei Funksysteme gebe und acht Tonspuren einzeln abgehört werden müssten. Zudem seien die Gespräche sehr leise aufgezeichnet worden, sagte Retemeyer. In einem der Gespräche teile ein Mitarbeiter des Arbeitswagens mit, dass "das Fahrzeug jetzt abgestellt worden ist". Kurz nach dem Unfall habe sich ein Überlebender aus dem Zug über Funk mit den Worten gemeldet: "Ich höre Schreie. Da muss noch jemand leben", sagte Retemeyer weiter.

Laut Polizei ist mittlerweile geklärt, welche Personen sich im Zug befanden. Nun gelte es, die zum Teil stark entstellten Leichen zu identifizieren. Dies solle in den nächsten Tagen auch durch die Entnahme von DNA-Proben erfolgen.

In Lathen wurde am Wochenende in mehreren Gottesdiensten der Opfer gedacht. Ein zentraler ökumenischen Gottesdienst ist zudem für Mittwoch geplant, kündigte Landrat Hermann Bröring (CDU) an.

Beratungen über Zukunft des Transrapid in China

Nach der Transrapid-Katastrophe im Emsland wollen die chinesischen Behörden nach Informationen der Tageszeitung "Die Welt" kommende Woche über die Zukunft des Projekts beraten. Eine Entscheidung zum Weiterbau der Schanghaier Flughafenanbindung nach Hangzhou werde immer fraglicher, berichtete die Zeitung. Unter Berufung auf Schanghaier Industriekreise heißt es, das Projekt sei wegen seiner hohen Kosten und den Problemen beim Technologietransfer bereits auf dem Prüfstand. Nun kämen zwei Unfälle hintereinander hinzu, zuerst der von schadhaften Batterien ausgelöste Brand eines Wagens am 11. August in Schanghai und nun der deutsche Unfall.

Bisher verbindet die weltweit einzige kommerziell genutzte Transrapid-Strecke die Metropole Schanghai mit dem Flughafen. Die Transrapid-Bauer hoffen aber auf eine 170 Kilometer lange Anschluss-Verbindung zwischen Schanghai und Hanghzou. (tso/ddp/AFP)

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