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Bunte Zeichen, gesetzt gegen trübe Aussichten.

© Patrick Pleul/dpa

Trüber Januar: Graues Grauen

Selten hatte ein Januar so wenig Sonnenstunden wie 2018. Was macht der Mangel an Licht mit uns? Und was ist eine Winterdepression?

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Zu warm, zu nass und vor allem zu dunkel – so war der Januar 2018 nach einer vorläufigen Bilanz des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Im bundesweiten Durchschnitt gab es im ersten Monat des Jahres nur 35 Stunden Sonnenschein – der langjährige Mittelwert liegt bei 44Stunden. In Berlin schien die Sonne nur rund 30 Stunden, sagt Friedrich Föst von der Wettermanufaktur in Tempelhof. In anderen Regionen seien sogar kaum zehn Stunden zusammengekommen.

Das Wetter schlägt manchen Menschen aufs Gemüt. Viele stehen im Dunkeln auf und kommen im Dunkeln von der Arbeit zurück. Das einzige Licht, dem sie ausgesetzt sind, ist das Bürolicht oder die Lampe zu Hause. Der Lichtmangel macht sich bemerkbar. Viele fühlen sich morgens träge, und wenn sie an das trübe Wetter denken, das sie erwartet, wollen sie am liebsten gar nicht aus dem Bett steigen.

Das Gefühl der Depression ist nicht eingebildet

Manche Menschen entwickeln dabei eine regelrechte Winterdepression. Ist das eine eingebildete Krankheit? „Nein“, sagt Achim Kramer, Professor für Chronobiologie an der Charité, Winterdepression sei keineswegs eingebildet. Experten sprechen von einer „Seasonal Affective Disorder“ (SAD), einer saisonal-affektiven Depression. Betroffene schlafen mehr, kommen kaum aus dem Bett, essen mehr Kohlehydrate und nehmen an Gewicht zu. Viele fühlen sich antriebslos.

Das Auge des Menschen enthält Zellen, die für die Synchronisation unserer inneren Uhr mit dem Licht-Dunkel Zyklus der Umwelt verantwortlich sind, erklärt Kramer. Bekommen diese Zellen über den Tag verteilt zu wenig Licht, dann können die genannten Symptome auftreten. Was dabei genau im Körper passiert, muss noch erforscht werden. Therapie mit hellem Licht kann aber bei vielen Betroffenen die Symptome lindern.

Im Grunde ist es die Vorstufe zum Winterschlaf

Für die Umstellung unserer Physiologie im Winter gebe es einen evolutionsbiologischen Hintergrund. Es sei von der Natur her sinnvoll gewesen, dass „der Mensch in der kalten Jahreszeit mehr anfuttert und mehr schläft“. Kramer bezeichnet dies als eine Art „kleine Vorstufe zum Winterschlaf“. Der Wissenschaftler rät zur Vorbeugung. Menschen sollten mehr draußen sein. Selbst wenn das Wetter trübe sei, sei es draußen um ein Vielfaches heller als drinnen. „Morgens eine Station vorher aus der U-Bahn aussteigen und laufen“, rät Kramer. „Sonne tut gut, Licht wirkt antidepressiv“, bestätigt Isabella Heuser, Direktorin der Psychiatrie an der Charité. Auch bei anderen Depressionen werde eine Lichttherapie zusätzlich eingesetzt. Allerdings könne Licht allein nicht andere Depressionen heilen. Nach Angaben von Heuser nehmen Depressionen generell zu, Winterdepressionen dagegen nicht. Deren Symptome verschwänden zudem, wenn es im Frühjahr heller und sonniger wird.

Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), weist auf einen Unterschied zwischen normaler Depression und Winterdepression hin: Die einen hätten weniger Schlaf und würden weniger essen, während es bei den anderen umgekehrt sei. Wer Anzeichen einer Winterdepression habe und „länger als 15 Tage deutlich beeinträchtigt ist“, solle zum Arzt gehen. Auch Hauth rät, spazieren zu gehen – täglich eine halbe Stunde bei Tageslicht lindere die Symptome.

Einfach mit dem inneren Schweinehund spazieren gehen

Wer bei diesem Wetter gar nicht rausgehen mag, kann seinen inneren Schweinehund mit einem Trick überwinden – und sich sagen: „Ich nehme meinen inneren Schweinehund einfach mit zum Spazierengehen.“

Immerhin ist es wärmer als sonst um diese Zeit. Tatsächlich war der Januar 2018 in Deutschland mit einer Durchschnittstemperatur von plus 3,8 Grad um 4,3 Grad wärmer als das Mittel der Referenzperiode 1961 bis 1990. Damit sei der Januar 2018 der sechstwärmste seit Beginn der flächendeckenden Messungen im Jahr 1881, schreibt der DWD. In Berlin gab es in diesem Winter laut Friedrich Föst noch keinen einzigen „Eistag“ mit Tagestemperaturen unter null. „Das ist schon sehr außergewöhnlich.“ Zugleich war der Monat vor allem im Westen Deutschlands deutlich zu nass.

Nächste Woche ändern sich die Verhältnisse: Die Luft kommt erstmals in diesem Winter aus Nordosten. Föst rechnet für Berlin mit Dauerfrost ab Montag – nach einem schneematschigen Wochenende. Der Frost dürfte sich ein paar Tage halten; nachts könne es auch kälter als minus fünf Grad werden, wenn es aufklart. Die Chancen dafür stehen gut, denn die Luft soll relativ trocken sein. Weitere Schneeschauer sind trotzdem nicht ausgeschlossen, sodass Berlins Schulkinder auf ein paar weiße Winterferientage hoffen können.

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