zum Hauptinhalt

Tübingen: Wahlkampf "auf unterschtem Niwoh"

In Tübingen nimmt der Wahlkampf zum Teil merkwürdige Züge an. Der prominente Grünen-Politiker Rezzo Schlauch verteidigt eine CDU-Kandidatin.

Die Schwalben sind zurück am Neckar. Der Frühling ist da, und dort, wo der wahnsinnig gewordene Dichter und Philosoph Friedrich Hölderlin von seinem Turm auf das Schwabenflüsschen schaute und wo mit Oberbürgermeister Boris Palmer schon die grüne Fahne über dem Rathaus weht, lagen in der vergangenen Zeit die Nerven blank. Die Vorstellung, dass ein Kandidat der Grünen hier in Tübingen das Direktmandat gewinnen könnte, ließ die Lokalgrößen der Christdemokraten zum Äußersten schreiten: Kein bodenständiger Konservativer mit Schnauzbart und Plauze (schwäbisch: Ranzen) aus dem katholischen Hinterland der Universitätsstadt sollte dieses Mal die CDU in den Wahlkampf führen, sondern eine Frau mit wuschelig-roten Haaren und einer Biographie, die zur CDU passt wie der Storch ins Schwalbennest.

Lisa Federle heißt die Bewerberin, geschieden, vier Kinder von verschiedenen Männern, Jahre ihres Lebens verbrachte sie hinterm Tresen einer Studentenkneipe, über den zweiten Bildungsweg machte sie die Hochschulreife. Heute ist Lisa Federle leitende Notärztin und, wann immer es „lalü-lala“ macht, nicht weit. Sie hat den unschlagbaren Vorteil, fast jedem in der Stadt schon einmal ein Bier ausgeschenkt oder den Puls gefühlt zu haben. Großes Aufsehen erregte der Leserbrief des geschiedenen Ehemanns von Lisa Federle. Er leide seit der Kandidatur seiner Ex-Frau schwer unter seinem Nachnamen und bitte daher alle Einwohner mit dem Namen Schmid, Maier oder Müller, seine Adoption in Erwägung zu ziehen. Als habe sie nur auf das Stichwort gewartet, schrieb die örtliche SPD-Landtagsabgeordnete an ihren Landesvorsitzenden Nils Schmid einen offenen Brief mit der Bitte, dem Wunsch des Herrn Federle zu entsprechen („schlimmer kann es einen Menschen nicht treffen“).

Das war Rezzo Schlauch zu viel. Der prominente Grünen-Politiker und ehemalige Staatssekretär ist ein langjähriger Freund von Lisa Federle. Er sprang der CDU-Kandidatin zur Seite, um sie in dieser Schlammschlacht zu beschützen. Mit dem Verhalten des Ex-Ehemannes und dem politischen Ausschlachten der privaten Konflikte sei der Wahlkampf „auf unterschtem Niwoh“ angekommen, polterte er.

Philipp Maußhardt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false