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Panorama: Türkei: Schnaps - das ist ihr erstes Wort

Die Türken neigen nicht zu Trübsal - eigentlich auch dann nicht, wenn es um Alkohol geht. Obwohl der islamische Glaube da eher skeptisch ist, gehört der Anis-Schnaps Raki auf jede ordentliche türkische Tafel; zum Fisch ist der leichte heimische Weißwein obligatorisch, und als Aperitif nimmt man vor allem im Sommer gerne ein kühles Bier.

Die Türken neigen nicht zu Trübsal - eigentlich auch dann nicht, wenn es um Alkohol geht. Obwohl der islamische Glaube da eher skeptisch ist, gehört der Anis-Schnaps Raki auf jede ordentliche türkische Tafel; zum Fisch ist der leichte heimische Weißwein obligatorisch, und als Aperitif nimmt man vor allem im Sommer gerne ein kühles Bier.

Umso verstaubter mutet eine alte Polizeivorschrift der Millionenmetropole Istanbul an, die jetzt von den Behörden hervorgekramt und rigoros angewandt wurde: Mit nächtlichen Razzien in Restaurants und Hotels verhalf die Polizei in den vergangenen Wochen einer Regelung aus den zwanziger Jahren zu neuer Geltung, wonach in bestimmten Gegenden der historischen Altstadt von Istanbul grundsätzlich kein Alkohol ausgeschenkt werden darf. Doch weil diese Gegenden heutzutage vorwiegend von Touristen bevölkert werden, sind es vor allem ausländische Besucher, denen von der türkischen Polizei das Bier verboten wird.

Welchem Zweck die 80 Jahre alte Regelung ursprünglich dienen sollte, weiß zwar keiner mehr. Doch Gesetz sei nun mal Gesetz, argumentiert die Polizei - und setzte erst letzte Woche wieder Dutzende ahnungslose Touristen vom Restauranttisch aus an die frische Luft, weil sie ein Bier oder ein Glas Wein zum Abendessen tranken.

Damit nicht genug, wurden die Lokale von den Beamten geschlossen und versiegelt. Eine der beliebstesten Flaniermeilen der historischen Altstadt von Istanbul, die Akbiyik Caddesi nahe der Blauen Moschee und der Hagia Sophia, ist nun, zu Beginn der Touristensaison, fast völlig verwaist; in den verplombten Straßenlokalen stehen die Stühle auf dem Tisch.

Eine Schande sei das, beschweren sich Hoteliers und Gastronome in Sultanahmet, wie der Altstadtbezirk heißt. Auf bis zu 40 000 Mark am Tag kalkulieren sie ihre Umsatzverluste - und das ist längst nicht der ganze Schaden. Es sei den ausländischen Besuchern ja kaum klar zu machen, dass das Alkoholverbot nur auf bestimmte Straßen begrenzt sei, sagt ein Lokalbesitzer.

Angst vor "trockener" Türkei

Auf der ganzen Welt verbreite sich nun das Gerücht, dass die Türkei ein "trockenes" Land sei - kaum ein Anreiz für die Touristenströme, auf die das Land angesichts seiner tiefen Wirtschaftskrise derzeit besonders angewiesen ist. "Wenn die Behörden mit dieser Einstellung weitermachen, dann können wir die Touristen hier bald mit der Lupe suchen", sagt Ergün Karamahmutoglu, Besitzer des versiegelten Restaurants "Ayazma". Die Bezirksverwaltung, bei der die empörten Restaurateure Sturm liefen, bedauerte nur: Wenn die Polizei die Lokale schließe, sei daran nichts zu ändern. Den Gouverneur von Istanbul, die örtlichen Parlamentsabgeordnete und die Gerichte wollen die Hotel- und Lokalinhaber einschalten, doch bisher tat sich nichts.

Unterstützung kam dafür von unverhoffter Seite: Mit einem Sitzstreik in der Akbiyik Caddesi protestierten Touristen aus einem halben Dutzend Ländern am Wochenende gegen das Alkoholverbot und die Schließung der Lokale. "So ein Verbot erlebe ich zum ersten Mal in meinem Leben", entrüstete sich eine Australierin. "Wir waren gerade beim Abendessen, als wir hinausgeworfen wurden", so ein Belgier. "Ich habe erst überhaupt nicht verstanden, was da passiert." Mit Dosenbier stießen die Urlauber auf der Straße darauf an, dass die Lokale bald wieder öffnen dürfen - und dass die Altstadt von Istanbul zur sprichwörtlichen türkischen Gastfreundschaft zurückfindet.

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