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Türkei: Was steckte hinter der Messerstecherei von Istanbul?

Nach Angaben der türkischen Polizei verwickelt sich der Tatverdächtige der Messerstecherei in Istanbul in Widersprüche. Ob es wirklich die Tat eines wütenden Bettlers war, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.

Der Tod des Deutschen Gregor K. in Istanbul gibt den türkischen Ermittlern Rätsel auf. Was zunächst aussah wie die Tat eines ausgerasteten Bettlers, der sich über die Abweisung durch einen Ausländer ärgerte, könnte doch dunklere Motive haben. Der Tatverdächtige Ibrahim A. sagte am Mittwoch bei der Staatsanwaltschaft aus, er habe „einen Christen töten“ wollen. Ein Haftrichter ließ ihn wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft bringen.

K. war im vergangenen Jahr nach einer Verurteilung wegen Betruges aus deutscher Haft geflohen und nach Istanbul gekommen. Am Bosporus lernte er die Unternehmerin Hatice Isik kennen, die eine Consultingfirma betreibt. Für das Unternehmen kümmerte sich K. zuletzt um ein Kraftwerksprojekt, wie Isik der türkischen Presse sagte. K., der laut deutscher Staatsanwaltschaft 41 Jahre alt war, und nicht 45, wie es in der türkischen Presse hieß, habe sich von seiner Frau in der Bundesrepublik, mit der er zwei Kinder hat, scheiden lassen wollen. Im September wollten K. und Isik heiraten.

Ihren Verlobten schilderte Isik als sehr frommen Christen – er habe jeden Tag in einer Kirche an der Istiklal Caddesi gebetet, jener Istanbuler Einkaufsstraße, auf der er am Montag seinen Mörder traf.

Wie A. der Staatsanwaltschaft sagte, hatte er sich an jenem Morgen auf die Suche nach Christen gemacht und sich deshalb in der Nähe von Istanbuler Kirchen umgeschaut. „An diesem Tag wollte ich einen Christen töten“, sagte er nach türkischen Medienberichten. „Ich sah diesen Mann und brachte ihn um.“

In den vergangenen Jahren sind bereits mehrmals Christen von muslimischen Türken getötet worden. Im April 2007 schnitten Rechtsradikale in der ostanatolischen Stadt Malatya einem deutschen und zwei türkischen Protestanten die Kehlen durch – sie sahen die Einheit der türkischen Nation durch christliche Missionare bedroht.

Ob der Fall bei A. ähnlich liegt, ist derzeit nur schwer abzuschätzen. Möglicherweise will er sich nur interessant machen, oder er hofft auf einen rechtsnationalistisch eingestellten und deshalb gnädigen Richter. In den Polizeiverhören vor seiner Überstellung an die Justiz hatte der 26-jährige A., ein gelernter Frisör, jedenfalls widersprüchliche Aussagen gemacht. Mal sagte er, K. habe ihm kein Geld geben wollen, dann erzählte er, der Deutsche habe ihn „schief angeschaut“. Auf die Frage, warum er eigentlich ein Messer bei sich getragen habe, antwortete A.: „Ich dachte, dass ich vielleicht eines Tages einmal jemanden umbringen würde.“

Aussagen eines Mannes, der nicht ganz bei Trost ist, oder Nebelkerzen eines Mörders, der etwas verbergen will und sich deshalb aufführt, als sei er minderbemittelt? Für beide Möglichkeiten gibt es Anhaltspunkte. Bekannte von A. sagten der Polizei, der 26-jährige habe einen Dachschaden; auch sein Aufenthalt in einer Nervenklinik spricht dafür.

Andererseits beobachteten die Beamten laut Medienberichten auf Aufnahmen von Überwachungskameras in der Nähe des Tatorts, dass sich K. und A. in den Minuten vor den Messerstichen ruhig unterhielten, ganz so, als würden sie sich kennen. Möglicherweise sei A. von einem Auftraggeber wegen eines derzeit noch unbekannten Streits zunächst losgeschickt worden, um K. zu warnen. Weil der Deutsche nicht nachgeben wollte, habe A. dann den Befehl erhalten, K. zu töten, laute eine mögliche Variante, wie die Zeitung „Vatan“ meldete. Demnach war A. ein Auftragskiller.

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