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Finale Filiale. Das Polizeifoto zeigt eine Videoaufzeichnung der mutmaßlichen Räuber von Karlsruhe beim Betreten der Bank. Danach kam es in der Innenstadt zur tödlichen Schießerei. Früher sollen die beiden bei ihren Raubzügen ausgesucht höflich gewesen sein.

© dpa

Überfall in Karlsruhe: Die Gentlemen baten zur Kasse

Letzter Auftritt eines berüchtigten Bankräuberduos: Die getöteten Täter von Karlsruhe wurden seit 15 Jahren gesucht. Bei ihren Raubzügen sollen sie insgesamt etwa zwei Millionen Euro erbeutet haben.

Es erinnert ein wenig an die Geschichte des berüchtigten Räuberpaars Bonnie und Clyde: Ein Mann und eine Frau machen mit bewaffneten Banküberfällen über Jahre den Südwesten Deutschlands unsicher. Am Freitagabend endet ihre kriminelle Serie nach einem Überfall in Karlsruhe mit dem Tod der beiden Räuber, eine Polizistin wird schwer verletzt. Polizei und Staatsanwaltschaft sind sich ziemlich sicher: Es handelt sich um die seit 15 Jahren gesuchten „Gentlemen-Räuber“, die bei ihren Raubzügen insgesamt etwa zwei Millionen Euro erbeutet haben sollen – und sich – anders als Bonnie und Clyde – zumindest anfangs noch relativ mitfühlend mit ihren Opfern gezeigt haben sollen.

Jahrelang tappten die Ermittler im Dunkeln. Und das, obwohl man vergleichsweise viel über die beiden wusste. Überwachungskameras aus den Banken lieferten gute Bilder und zeigten deutlich das markante Profil des Mannes. Beide schlugen immer in derselben Region und stets kurz vor Schalterschluss zu. Betroffen waren Banken rund um Karlsruhe, Mannheim, den Rhein-Neckar-Kreis und die Südpfalz. Bisweilen ließ das Paar nur wenig Zeit verstreichen und kehrte zur selben Filiale zurück, um den Tresor dort ein zweites Mal auszuräumen. Eine Filiale in Altlußheim (Rhein-Neckar-Kreis) nahmen sie sogar dreimal ins Visier. Doch selbst die TV-Fahnder in „Aktenzeichen XY“ blieben erfolglos.

Auch am Freitagnachmittag – die Überwachungskamera der Volksbank am Karlsruher Karlstor zeigt drei Sekunden vor 16 Uhr – betritt das bewaffnete Duo maskiert mit Perücken kurz vor Geschäftsschluss die Bank. Sie zücken ihre Waffen, kassieren Beute in Höhe von mehreren zehntausend Euro und sind blitzschnell wieder draußen. Doch eine Angestellte hat stillen Alarm ausgelöst.

Eine Streife, die zufällig in der Nähe war, ist schon vor Ort. Die Polizisten sehen die beiden herauskommen, sind sich aber nicht sicher: War es Fehlalarm? Sie wollen das Paar kontrollieren, das nun schnelleren Schrittes Richtung Innenstadt geht. „Dabei haben diese Personen offenkundig das Feuer aus ihren mitgeführten scharfen Schusswaffen eröffnet und haben mehrmals auf die Beamten geschossen“, zeichnet der leitende Polizeidirektor Roland Lay kurz nach der Tat die Abläufe nach. Eine Polizistin wird schwer am Bein verletzt, ihr Kollege schießt zurück und trifft den männlichen Täter im Brustkorb. Der Räuber stirbt unter den Händen der Sanitäter. „Da war nichts mehr zu machen“, sagt die leitende Notärztin.

Seine Komplizin ist da bereits an einer Kopfverletzung gestorben.

„Vieles spricht dafür, dass die Kugel durch den Mund eingetreten ist“, sagt einer der Ermittler später. Deshalb und auch aufgrund einer Zeugenaussage gehen sie von Selbstmord aus.

Die Identität der beiden ist schnell geklärt – sie hatten ihre Ausweise dabei. Demnach handelt es sich um Tschechen. Der Mann war 40, seine Frau 38 Jahre alt. Sie hatten sich in einem Hotel in der Nähe eingemietet. Doch viel mehr weiß man nicht über sie.

Polizeilich sind die beiden in Deutschland nicht registriert. Die Ermittler wissen noch nicht, wo sie lebten, und auch nicht, ob zu der Bande noch weitere Täter gehören. Am Freitag waren sie nach Erkenntnissen der Fahnder allein, wie bei all ihren Überfällen seit sechs Jahren. Bei früheren Raubzügen sollen sie aber in wechselnder Besetzung mit einem weiteren Mann ihr Unwesen getrieben haben. Was ist mit dem geheimnisvollen Dritten? Darauf gab es am Wochenende keine Antwort.

„Wir stehen am Anfang der Ermittlungen“, so ein Sprecher der Landespolizeidirektion. Zwar gibt es Abweichungen vom bisherigen Muster etwa bei der Auswahl der Bank – sie war mitten in der belebten Innenstadt – und beim Fluchtplan. Trotzdem meinen die Ermittler: „Momentan gehen wir davon aus, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um die Gentlemen-Räuber handeln dürfte“, sagt die Karlsruher Polizeipräsidentin Hildegard Gerecke. Endgültige Sicherheit sollen DNA-Untersuchungen bringen. Eines ist für die Fahnder aber jetzt schon klar: Der Spitzname „Gentlemen-Räuber“ ist aus ihrer Sicht keinesfalls gerechtfertigt.

Zwar gaben die Täter schon mal einem Überfallopfer einen Schlüssel zurück oder entschuldigten sich danach. Auch gingen sie bei ihren Taten zumindest bis Freitag wohl nicht so brutal ans Werk wie ihre US-Vorgänger Bonnie und Clyde während der Weltwirtschaftskrise im vergangenen Jahrhundert. Aber, so sagt es ein Polizeisprecher deutlich: „Die Täter haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie von der Schusswaffe Gebrauch machen.“ (dpa)

Susanne Kupke

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