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Panorama: Überraschungsbesuch im Vatikan: Familienangelegenheiten

Mit seinem Überraschungsbesuch in Castelgandolfo hat Erzbischof Emmanuel Milingo den Vatikan aus dem Dämmerzustand gerissen. Der exzentrische Kirchenmann aus Sambia - der Ende Mai mit seiner von der Moon-Sekte organisierten Massenhochzeit in New York ein Zerwürfnis zwischen sich und der katholischen Kirche hervorgerufen hatte - schaffte es, den schwerfälligen vatikanischen Apparat zu umgehen und direkten Zugang zu Papst Johannes Paul II.

Mit seinem Überraschungsbesuch in Castelgandolfo hat Erzbischof Emmanuel Milingo den Vatikan aus dem Dämmerzustand gerissen. Der exzentrische Kirchenmann aus Sambia - der Ende Mai mit seiner von der Moon-Sekte organisierten Massenhochzeit in New York ein Zerwürfnis zwischen sich und der katholischen Kirche hervorgerufen hatte - schaffte es, den schwerfälligen vatikanischen Apparat zu umgehen und direkten Zugang zu Papst Johannes Paul II. zu erhalten. Zugleich ist es ihm offenbar gelungen, seine neuen Freunde und Bewacher bei der Moon-Sekte auszutricksen. Wie die italienische Zeitung "Corriere della Sera" berichtete, half ihm ein als Priester verkleideter ehemaliger Polizist, der reichlich Übung im unauffälligen Transportieren prominenter Persönlichkeiten hat.

Geradezu rekordverdächtig ist die Zeit, die der Papst dem abtrünnigen Sambier gewährten. Über 90 Minuten soll die von Milingo fast überfallartig erzwungene Begegnung am Dienstag gedauert haben - weit mehr, als der Papst dem amerikanischen Präsidenten einzuräumen pflegt. Dies und die Tatsache, dass der Vatikan anschließend ein überraschend optimistisches Kommunique veröffentlichte, gilt unter Vatikan-Beobachtern als sicheres Zeichen dafür, dass der Papst eine Lösung in dem ungewöhnlich schwierigen Fall anstrebt. Sogar das von Kardinal Joseph Ratzinger ergangene Ultimatum gilt nicht mehr als aktuell. Denn aus vatikanischer Sicht wurde die geforderte Unterwerfung Milingos mit dem Besuch in Castelgandolfo rechtzeitig eingeleitet. Presseberichte, wonach Milingo vor dem Papst auf die Knie gefallen sei und ihm die Füße geküsst haben soll, wurden bislang nicht bestätigt, unwahrscheinlich sind sie jedoch nicht. Die Exkommunikation des als Exorzist und Wunderheiler bekannten Geistlichen ist erst einmal in weite Ferne gerückt. Stattdessen sind nach Angaben aus Milingos Umgebung eine Reihe von Unterredungen geplant. Am Ende dieses Prozesses dürfte eine weitere Begegnung mit dem Papst stehen. Zuvor aber müssen kirchenrechtlich wasserdichte Lösungen gesucht werden, um die spektakuläre Hochzeit des Erzbischofs für ungültig zu erklären. Milingo will jedoch, dass seine koreanische Frau Sung Ryae in die Entscheidungen einbezogen wird.

Unabhängig davon, welche juristische Form gefunden wird, demonstrieren beide Seiten Fähigkeit zur Selbstkritik und zur Umkehr. Der sonst redefreudige Milingo, der nun als eine Art verlorener Sohn reumütig beim Heiligen Vater anklopfte, enthielt sich überraschend jeglicher Polemik und schien überglücklich, endlich Gehör beim Papst persönlich gefunden zu haben. Und Johannes Paul II. ist es gelungen, den ihn umgebenden Apparat zu umgehen, der mit dem unberechenbaren Milingo restlos überfordert war und ihn deshalb Zug um Zug ausgegrenzt hatte. Und der Papst selbst konnte sein Charisma bei dem rebellischen Bischof zur Geltung bringen und damit mehr bewegen als alle Verbotsschreiben und Drohungen in den Jahren zuvor.

Wenn Johannes Paul II. sein ganzes Gewicht in die Waagschale wirft, hat dies auch mit dem großen Symbolwert zu tun, den Milingo für viele nach wie vor hat. Für die beachtliche Gruppe der charismatisch bewegten Katholiken, unter denen auch Exorzismus und Geistheilung Konjunktur haben, galt Milingo stets als eine herausragende Persönlichkeit und Bezugspunkt. Darüber hinaus sind zahlreiche Gläubige in seiner afrikanischen Heimat über die Ereignisse um den in Sambia einst sehr populären Erzbischof verunsichert. Sollte die Versöhnung gelingen, steht als nächstes die nicht ganz leichte Frage im Raum, in welcher Funktion die Kirche den rechtsgültig Verheirateten künftig einsetzen will.

Ludwig Ring-Eifel

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