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Panorama: Um ein Haar

Bruce Willis hat sie. Kevin Costner wird sie auch bald haben.

Bruce Willis hat sie. Kevin Costner wird sie auch bald haben. Nein, hier geht es nicht um eine Auszeichnung für die letzte Filmrolle - sondern um etwas ganz Alltägliches: um Glatzen. Fast jeder dritte Mann, aber auch jede zehnte Frau sind in Deutschland von Haarausfall betroffen. Wem mehr als 100 Haare pro Tag ausfallen, der gehört dazu. Obwohl Willis ein Star, sogar ein Sex-Symbol ist, versetzt die meisten Männer der Gedanke an Haarausfall in Angst. Laut einer Emnid-Umfrage reagiert jeder dritte Mann äußerst oder sehr beunruhigt auf Haarausfall. Erst kürzlich sagte der Schauspieler George Clooney, er fürchte sich davor.

Unbegründet ist diese Furcht nicht. Ronald Henss von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken untersucht das Bild, das die Gesellschaft von glatzköpfigen Männern hat. Er stellte dabei fest, Glatzen wirken negativ auf den Betrachter. Obwohl es auch das Bild vom super-potenten Glatzkopf gibt, wirken Personen mit Haarausfall weniger attraktiv. Besonders die sexuelle Attraktivität werde deutlich geringer eingeschätzt, sagt Henss. Da sei es klar, dass die Chancen auf dem Partnermarkt beeinträchtigt wären. Das wüssten auch die Betroffenen.

Um der Furcht zu begegnen, wird das Haar gehegt und gepflegt. Fallen die Haare aus, schluckt man Tabletten oder trägt Salben auf. Ist man kahl, greifen viele zur Perücke. So auch der Beamte F. aus Stuttgart der am Donnerstag vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen das Land Baden-Württemberg um Beihilfe für seine Perücke klagte. Der 50-Jährige leidet seit seiner Kindheit unter kreisrundem Haarausfall in seiner extremsten Form: Alopecia areata totalis, dem völligen Verlust der Körperbehaarung.

Glatzen a la Willis werden durch eine oft ererbte Überempfindlichkeit gegen männliche Hormone, die Androgene, hervorgerufen. Typisches Bild: schütternes Haar, Geheimratsecken, Glatze an der Stirn oder am Hinterkopf. Hinter dem kreisrunden Haarausfall steckt hingegen eine Immunschwächekrankheit. Nach Schätzungen haben etwa eine Million Deutsche, davon viele jedoch nur vorübergehend diese Krankheit.

Die Vorsitzende der Selbsthilfegruppe Alopecia Areata Deutschland, Jenny Latz, glaubt, dass die Dunkelziffer höher ist. Es outeten sich längst nicht alle. Warum? "Es gibt immernoch viele Vorurteile in den Köpfen", sagt Latz, die selber seit 26 Jahren eine Glatze hat. Haarausfall sei ein Tabu. "Man will es nicht haben. Man hat es einfach nicht." Am Anfang war es schwer, aber inzwischen kommt Latz mit ihrer Situation gut zurecht. Nur manchmal trägt sie eine Perücke. Aber sie kennt viele Gründe, warum man nicht zu einer Glatze stehen möchte. Im Beruf, auf der Straße, immer stehe man im Mittelpunkt, meist im negativen Sinne.

Ähnlich sieht es wohl der Beamte F. Haarausfall werde in der Gesellschaft nicht akzeptiert, daraus entstehe natürlich eine ungeheure psychische Belastung, sagt sein Anwalt. Eine Perücke könne helfen, dieser Belastung zu entgehen. Aber laut baden-württembergischen Beamtenbeihilfegesetz werden Perücken für Männer nur bis 30 bezuschusst, für Frauen aber unbegrenzt. Ist das eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Männer? Dabei muss man bedenken, dass dies nur der Fall wäre, wenn sich im Alltag daraus ein tatsächlicher Nachteil ergibt. Die erste Instanz gab F. recht. Die zweite Baden-Württemberg. Der vorsitzende Richter beim Bundesverwaltungsgericht fasste das Stuttgarter Urteil so zusammen: Für glatzköpfige Frauen sei es ein Spießrutenlauf, ohne Perücke über die Straße zu gehen. Für Männer nicht. Also keine Benachteiligung. Die Richter in Berlin entschieden dagegen für F. Frauen und Männer dürfen in diesem Fall nicht unterschiedlich behandelt werden, urteilten sie.

Bernhard Gross

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