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Die Auswahlmöglichkeit "Mademoiselle" soll auf offiziellen Formularen künftig entfallen

© dpa

Umstrittene Anrede: Frankreich sagt der "Mademoiselle" Adieu

Vor 41 Jahren wurde in Deutschland das "Fräulein" aus Behördenformularen verbannt. Jetzt sollen sich auch französische Beamte von der Anrede "Mademoiselle" verabschieden. Feministinnen feiern ihren Sieg.

Die französischen Schauspielerinnen Catherine Deneuve, Isabelle Adjani und Jeanne Moreau haben eines gemeinsam: Sie alle werden mit "Mademoiselle" angesprochen - jedenfalls noch. Denn ziemlich genau 41 Jahre nach Deutschland verabschiedet sich nun auch Frankreich endgültig von der Anrede für unverheiratete Frauen. Auf offiziellen Formularen und im Schriftverkehr solle es künftig nur noch zwei Möglichkeiten geben, verfügte die Regierung: "Monsieur" für den Mann und "Madame" für die Frau.

Frauenrechtlerinnen kämpfen schon lange für die Abschaffung der "Mademoiselle", die dem deutschen "Fräulein" entspricht. Sie sehen darin eine Diskriminierung nicht verheirateter Frauen. "Die Sprache ist ein Indikator der Ungleichheit von Frauen und Männern", heißt es in einer Kampagne gegen die Anrede, die im Herbst startete. Der Titel „Mademoiselle“ zwinge Frauen zu Angaben über ihr Privatleben, die Männer nicht machen müssten - und stehe damit für den Sexismus im Alltagsleben.

"Mademoiselle - ein Kästchen zu viel" ist das Motto der Frauenrechtsorganisationen Osez le féminisme (Wagt den Feminismus) und Chiennes de garde (Wachhündinnen). Denn in Frankreich muss beim Kauf einer Fahrkarte ebenso wie beim Erwerb einer Waschmaschine angekreuzt werden, ob es sich bei dem Kunden um "Madame", "Monsieur" oder "Mademoiselle" handelt. Entscheidend ist dabei nicht, wie alt die Frauen sind und wie viele Kinder sie haben, sondern nur, ob sie momentan verheiratet sind.

"Als ob mein Privatleben irgendeine Bedeutung für den Stromanbieter, die Bahn oder meinen Handyvertrag hat", empörte sich die Chefin einer Telefonkette, die die Kampagne im Internet unterstützt. Und auch ein junger Mann räumte ein: "Ich habe seit der Geburt das Recht auf die Anrede Monsieur und das Gegenstück dafür ist die Madame." Er werde ja schließlich auch nicht "Mondamoiseau" (Herrlein) genannt. "Indirekt sagt man damit, dass wir noch unfertig sind, wenn wir nicht verheiratet sind", kritisiert Laurence Waki, die Autorin des Buches "Madame ou mademoiselle" (Frau oder Fräulein).

Sozialministerin Bachelot feiert Ende der "Diskriminierung"

Im November schloss sich die für Frauenfragen zuständige Sozialministerin Roselyne Bachelot der Initiative der Feministinnen an und beantragte offiziell die Abschaffung der "Mademoiselle". Die Unterscheidung zwischen verheirateter und unverheirateter Frau sei eine Einmischung ins Privatleben, befand auch sie. Die per Rundschreiben von Regierungschef François Fillon an alle Behörden ergangene Anweisung, in offiziellen Schriftwechseln und Formularen auf die veraltete Anrede zu verzichten, feierte Bachelot als Ende der "Diskriminierung". Frauenrechtsvereinigungen forderten Unternehmen und Organisationen auf, dem Beispiel zu folgen.

Eine offizielle Regelung, welche die "Mademoiselle" vorschreibt, gibt es in Frankreich ohnehin nicht, wie Fillons Büro noch einmal betonte. Darauf wies schon 1972 Justizminister René Pleven hin, nachdem Deutschland im Februar 1971 das "Fräulein" offiziell abgeschafft hatte.

Auch wenn der Kampf gegen "Mademoiselle" von den Frauenrechtlerinnen erbittert geführt wird, ist 57 Prozent der Französinnen laut einer Ifop-Umfrage vom Oktober die Anrede egal. Nur 43 Prozent halten eine Abschaffung der "Mademoiselle" für wichtig oder gar vorrangig.

Deshalb gibt es auch 40 Jahre nach dem Tod von Modeschöpferin Coco Chanel, die sich bis ins hohe Alter mit "Mademoiselle" ansprechen ließ, Verfechterinnen der alten Anrede. So warb die Frauenzeitschrift "Elle" im Oktober für die Beibehaltung der "Mademoiselle". Leitartiklerin Alix Girod de l'Ain sah darin die Möglichkeit, auf ewig wie ein junges Mädchen hofiert zu werden: "Ob verheiratet oder nicht, jung oder alt, was wir fordern ist unser unveräußerbares Recht, Prinzessinnen zu sein", schrieb sie.

Zumindest bei den Behörden wird bald Schluss sein mit den "Prinzessinnen". Allerdings mit einer kleinen, dem Sparzwang geschuldeten Einschränkung seitens der Regierung: Erst müssten die Beamten noch die Formulare mit der alten Anrede aufbrauchen.
(AFP )

Christine Longin

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