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Panorama: Unerträglich schön

Dort, wo in Äthiopien die Reisegruppe überfallen wurde, lockt eine fantastische Wüste.

Langsam lugt nackter schwarzer vulkanischer Fels durch den vom Jeep aufgewirbelten Wüstenstaub. Für den Geländewagen ist hier Endstation, es geht mit Kamelen und zu Fuß weiter in Richtung Kraterbereich. Stoisch traben die Paarhufer durch die Mondlandschaft erkalteter Lava. Der unwegsame, spröde und teilweise messerscharfe Untergrund fordert den Tieren alles ab. Schaukelnd schleppen sie Verpflegung und Ausrüstung auf den Berg. Hat man den 613Meter hohen Erta Ale in Äthiopien erklommen, eröffnet sich ein grandioses Panorama. In der Ferne ist ein großes Loch auszumachen, dessen orangefarbener Feuerschein sich im Dampf vor tiefblauem Nachthimmel widerspiegelt.

Wer einmal die Danakil-Senke besucht hat, wähnt sich am Ende der Welt. Es ist eine der fantastischsten Wüsten dieses Planeten, mehr als 100 Meter tiefer als der Meeresspiegel. Hier wurde die Urlaubergruppe überfallen, unter ihnen zahlreiche Deutsche. Zwei von ihnen wurden getötet, zwei sind noch immer entführt.

Echte Lavaseen, nicht zu verwechseln mit normalen Vulkanen, sind auf diesem Planeten rar. In der Danakil-Senke findet man den wohl interessantesten, schönsten und mythischsten seiner Art – den Lavasee des Erta Ale.

In der unwirklichen Danakil-Senke im oberen Teil des nordafrikanischen AfarDreiecks treffen die nubische, somalische und arabische Kontinentalplatte zusammen. Genau genommen treffen sie dort nicht aufeinander, sondern gehen vielmehr ihrer eigenen Wege. Ihre Drift reißt Afrika förmlich auf und genau am Kopf jener tektonischen Nahtstelle befinden sich das Afar-Dreieck und die Danakil.

Ein Lavasee steht direkt in Verbindung mit der unter ihm befindlichen Magmakammer. Er ist etwas sehr Fragiles und viele Faktoren müssen wirksam sein, um Lava ständig an die Erdoberfläche kommen und wieder absinken zu lassen, ohne dass sie dabei gänzlich erstarrt. Er ist das Produkt einer Konvektionsströmung; einer Strömung, bei der heißes Magma bis zur Oberfläche des Sees aufsteigt, dort abkühlt und als Platte wieder absinkt, um im Erdinneren wieder eingeschmolzen zu werden, so dass der Prozess aufs Neue startet. Aufsteigendes und absinkendes Material stehen dabei im Gleichgewicht.

Während man eben noch den Sonnenuntergang genießen konnte, deutet sich auf der anderen Seite der Hemisphäre bereits schon wieder der Sonnenaufgang an. Plötzlich wird der Berg von einem markerschütternden metallisch-keramischen Knacken durchzogen. Die harten Lavaplatten wurden geteilt und sinken ab. Der gesamte See ist glutrot und strahlt mit seiner mächtigen Hitze ins Gesicht. Die Wüste wirkt öde, leer und lebensfeindlich, doch kaum ist der Jeep festgefahren oder hält kurz an, erscheinen Kinder wie aus dem Nichts. Deren unzählige „Heiland! Heiland!”-Rufe gelten nicht den gottgleichen Weißen, sondern eher den mitgeführten Flaschen (Highland, eine Mineralwasserfirma), die, sofern leer, ein begehrtes Tauschobjekt darstellen. Der Mensch ist anpassungsfähig, aber wie der in dieser Wüste lebende Stamm der Afar überlebt, ist kaum zu erklären. Das Klima prägt den Charakter der mürrisch schauenden Afar maßgeblich. Sie feilen sich ihre Zähne spitz und – so heißt es in Berichten – kastrierten einst ihre Feinde. Mit einer Temperatur von 55 Grad ist es einer der kühleren Tage hier. Wirklich leistungs- und erkundungsfähig ist der Besucher aus Deutschland nur in den Morgen- und Abendstunden, diese Wüste ist schier unerträglich. Und unerträglich schön.

Für Geologen ist die Danakil-Senke eine Sensation. Im Norden ist der implodierte Krater des Dallol zu finden, während weiter südlich das unvergleichliche Schauspiel des Lavasees des Erta Ale zu beobachten ist. Noch weiter südlich, nahe der Stadt Logya, ist das geothermale Feld Alo Lobed beheimatet. Inmitten der Wüste sprudelt kochendes Wasser aus dem Boden, Tiere treffen sich zum Trinken. Mineralien und Bakterien verwandeln warme Wasserlöcher in karibisch anmutende Swimmingpools.

Zuvor jedoch macht man am Lake Afera halt, dem Toten Meer der Danakil. Hier wird im großen Stil Speisesalz gewonnen und man kann auch in die Fluten steigen. Schier endlos kann man durchs flache Wasser waten, allerdings werden die Füße dabei vom scharfenLavagestein geschnitten. Sobald die Salzlake allerdings mit Schleimhäuten in Kontakt kommt, ist der Spaß vorbei. Das Süßwasser der teilweise sehr warmen Thermalquellen erscheint durch den Algenwuchs zwar giftgrün, ist aber eine willkommene Linderung um das Salz abzuwaschen. So lässt sich die grandiose Landschaft beinahe wieder schmerzfrei genießen.

Der Autor hat die Danakil-Senke im vergangenen Jahr besucht.

Florian Wizorek

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