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Panorama: Unglück am Ende der Welt

Vor den Aleuten ist ein Frachter mit Ölladung auseinander gebrochen – der Natur droht eine Katastrophe

Tagelang hatte das Wetter sie gezwungen, ungeduldig und untätig zu warten. Am Mittwoch war der unter malaysischer Flagge fahrende Soja-Frachter vor den Aleuten aufgelaufen und auseinander gebrochen. Doch erst nach einer vorübergehenden Beruhigung der See konnten die Experten der amerikanischen Küstenwache den Schaden am Sonntag genauer in Augenschein nehmen. Was sie in den wenigen Stunden, in denen es um diese Jahreszeit ganz im Nordwesten der USA überhaupt hell ist, sahen, übertraf ihre Befürchtungen. Felsen hatten Tanks aufgeschlitzt, mehr als eine halbe Million Liter Schweröl flossen aus. In den anderen Tanks der „Selendang Ayu“ befinden sich wahrscheinlich noch mehr als 1,2 Millionen Liter Öl und Treibstoff, auch sie werden wohl nicht mehr lange dichthalten. Damit droht Alaska die größte Umweltkatastrophe, seit die „Exxon Valdez“ im Frühjahr 1989 auf Grund lief und 42 Millionen Liter Öl an die Küsten spülte.

Bei dem havarierten Schiff handelt es sich nicht um einen Tanker, sondern um einen Frachter, der sowohl Soja als auch Öl geladen hat. Auf seinem Weg von Seattle im Bundesstaat Washington nach China fielen bei der „Selendang Ayu“ am Mittwoch die Maschinen aus. In schwerer See trieb der Frachter manövrierunfähig auf die Unalaska-Inseln zu, einen Teil der Aleuten, mehr als 1000 Kilometer westlich von Anchorage. Ein Schlepper eilte zu Hilfe, der Sturm war jedoch stärker als dessen Maschinen, zudem brachen die Trossen ständig. Der Frachter lief die Felsen auf und zerbrach in zwei Teile. Als die Küstenwache versuchte, die 26-köpfige Besatzung mit Hubschraubern zu retten, ereignete sich ein schwerer Unfall. Einer der tief über dem Wrack schwebenden Hubschrauber wurde wahrscheinlich von einer mehr als zehn Meter hohen Welle erfasst und in die eisigen Fluten gerissen. Die vier Besatzungsmitglieder, ausgestattet mit Spezialanzügen, überlebten. Mit ihnen zudem einer von sieben Schiffbrüchigen, die sich an Bord befanden. Von den anderen fehlt jede Spur, sie hatten in den eisigen Fluten keine Überlebenschancen.

Jim Lawrence, Sprecher der Reederei IMC Shipping, sagte der „New York Times“ zur Ursache des Unglücks: „Es war wirklich nur eine Frage des schlechten Wetters.“ Nach seinen Angaben seien die Maschinen bei dem Versuch ausgefallen, den Frachter von der Küste freizusteuern, auf die ihn der Sturm trieb. „Doch die Natur war einfach stärker“, sagte Lawrence. Die Route von der amerikanischen Westküste nach China führt jedes Jahr Tausende von Schiffen durch die Inseln der Aleuten hindurch in die Bering See. Schweres Wetter ist in dieser Jahreszeit die Regel.

Das Unglück bedroht nun ein riesiges Naturschutzgebiet, wichtige Fischgründe und Lachsfarmen. Das „Alaska Maritime National Wildlife Refuge“ ist Brutstätte für 40 Millionen Seevögel und Heimat für seltene, teilweise vom Aussterben bedrohte Fischotter-, Seelöwen- und Robbenarten. Erschwerend kommt hinzu, dass die kalte Jahreszeit den Abbau des Öls erheblich verlangsamt. Während nach der „Exxon Valdez“-Katastrophe, die ein betrunkener Kapitän verursachte, die Vorsorgemaßnahmen gegen Öl-Unfälle in Alaska erheblich verbessert wurden, gibt es auf den Aleuten kaum eine Überwachung. Die Inselgruppe liegt selbst nach in Alaska geltenden Maßstäben zu weit abseits.

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