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Völlig ausgebrennt. Der verunglückte Reisebus auf der A9 bei Münchberg, Bayern.

© dpa

Unglück auf A9 in Oberfranken: "Der Bus stand lichterloh in Flammen"

Die Ursache des Unfalls mit 18 Todesopfern und 30 Verletzten ist völlig unklar. Der Fahrer war ein erfahrener Mann, sagt der Busunternehmer.

Das Telefon in Hartmut Reimanns Hand klingelt erneut. Er geht zurück ins Haus. Am Telefon sitzen, auf einen Anruf warten, auf Informationen hoffen, das macht er schon den ganzen Tag. Es ist still rund um das weiße Wohnhaus im Löbauer Ortsteil Georgewitz. Direkt nebenan liegt ein großer Parkplatz. Ein paar Busse stehen dort. Zehn Busse hat das Löbauer Reiseunternehmen Reimann, ein Oberlausitzer Familienbetrieb, der vor allem Tagesfahrten anbietet.

Einer dieser zehn Busse steht in diesen Moment, am Montagnachmittag, 300 Kilometer entfernt auf der A9 bei Münchberg, vollkommen ausgebrannt. „Es ist alles noch so durcheinander“, sagt Hartmut Reimann als er wieder aus dem Haus kommt. Er wirkt gefasst, aber hilflos. „Es werden noch sechs Menschen vermisst“, sagt er.

Zu diesem Zeitpunkt haben die Rettungskräfte bereits elf Leichen aus dem verbrannten Bus geborgen.

Am frühen Montagmorgen, gegen 7 Uhr ist der Reisebus, der auf dem Weg von der Oberlausitz an den Gardasee war, schwer verunglückt. Er ist in einen vor ihm fahrenden Sattelschlepper geknallt und hat unmittelbar Feuer gefangen. Die Ursachen sind unklar, darüber kann auch Reimann nur spekulieren. „Ich weiß es auch nicht, der Tank ist bei dem Bus jedenfalls vorne“, sagt er.

Die meisten Fahrgäste kamen aus Sachsen und Brandenburg

Insgesamt saßen im Bus 48 Menschen, 46 Reisegäste und die beiden Fahrer, bestätigt Reimann. Das weiß er genau, er hat der Polizei die Listen gegeben. Der Bus sei gegen 0.30 Uhr in Löbau losgefahren, erzählt er. Noch ohne Fahrgäste. Die ersten nahm der Bus in Weißwasser auf, dann ging es weiter ins brandenburgische Senftenberg. Die letzten Fahrgäste stiegen in Dresden zu, dann ging die Reise gen Süden, über die A 9. Reimann ist selber nicht der Veranstalter der Fahrt an den Gardasee, das war ein anderes Unternehmen, erklärt er. Reimann war in diesem Fall Dienstleister, stellte Bus und Fahrer.

Der Mann, der am Steuer saß, fährt bereits seit 16 Jahren für Hartmut Reimann, ein erfahrener Busfahrer, sagt er. „Er ist sogar ausgezeichnet worden für unfallfreies Fahren. Das letzte Sicherheitstraining war erst im November.“ Was mit dem Mann ist – Reimann weiß es nicht. Der zweite Fahrer ist sein Schwiegersohn, er liegt im Krankenhaus. Er war es auch, der Reimann am Morgen über den Unfall informierte.

„Es ist alles noch so durcheinander", sagt Reimann. Die Polizei habe zwar ein paar Mal angerufen. Aber Informationen kommen nur in Tröpfchen. „Ich habe einfach keine Informationen“, sagt er immer wieder.

Um kurz nach 7 Uhr geht der Notruf ein

Stunden nach dem Busunglück im Norden Bayerns ist die Polizei den ganzen Montag über bei der Spurensuche. Die ganze Tragik des Ereignisses wird deutlich, als ein Leichenwagen nach dem anderen vorfährt und vor dem komplett ausgebrannten Gerippe hält, das einmal ein Reisebus war. 18 Menschen fanden zwischen Münchberg und Gefrees in Oberfranken auf grausame Art und Weise den Tod. Sie sind verbrannt

Es ist kurz nach 7 Uhr, als der Notruf bei der Feuerwehr eingeht: Ein Brand auf der A 9. Als die Rettungskräfte wenig später eintreffen, stehen ein Reisebus und ein Lastwagenanhänger in Flammen. 30 Menschen aus dem Bus konnten sich verletzt retten. Zwei von ihnen schweben in Lebensgefahr, heißt es später.

Was ist mit den 18 anderen? „Als wir eingetroffen sind, kam niemand mehr aus dem Bus“, sagt Andreas Hentschel von der Feuerwehr Münchberg. Erst Stunden nach dem Unglück teilt die Polizei mit: „Die verbleibenden Personen dürften wohl in dem brennenden Reisebus ums Leben gekommen sein.“

"Der Bus stand lichterloh in Flammen"

Dass sich jemand ins Gebüsch retten konnte und dort liegt, schließen Polizei und Feuerwehr schnell aus. Dort seien Wildschutzzäune angebracht. Die habe garantiert niemand überklettert, sagt Hentschel. Die Verletzten sind ältere Deutsche, sie stammen vor allem aus der Oberlausitz und aus dem Großraum Dresden. Auch mindestens vier Brandenburger waren unter den Fahrgästen, die verletzt wurden. Wie es ihnen geht, war bei Redaktionschluss dieser Ausgabe noch unklar.

Es muss ein Inferno gewesen sein: Vom Bus ist nur noch ein verkohltes Gerippe zu sehen. Das Wrack bietet einen grausigen Anblick. Selbst nahe gelegene Bäume sind vom Feuer gezeichnet. Hentschel sagt: „Der Bus stand lichterloh in Flammen.“ Die Beamten der Polizei und die anderen Rettungskräfte – rund 200 sind im Einsatz – warten am Vormittag auf Rechtsmediziner und die Staatsanwaltschaft. Auch Spezialisten des Bundeskriminalamtes sind angefordert. Um 11.30 Uhr fahren die ersten Leichenwagen vor.

Auch Notfallseelsorger sind am Ort, sie kümmern sich um die Einsatzkräfte. „Feuerwehrangehörige sind für außergewöhnliche Situationen ausgebildet“, sagen Hartmut Ziebs, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, und Alfons Weinzierl, Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbandes Bayern. Ein derartiges Geschehen mit zahlreichen Toten und Schwerverletzten sei jedoch auch für die Einsatzkräfte belastend.

Hätte eine automatische Löschanlage helfen können?

Auch eine automatische Löscheinrichtung hätte die Katastrophe kaum verhindern können. „Selbst eine moderne Löscheinrichtung im Bus löscht im Motorraum, im Zweifelsfall auch noch im Gepäckraum und auch noch in der Bustoilette, darf aber nicht im Innenraum löschen“, erläutert Johannes Hübner vom RDA Internationaler Bustouristik Verband. Die chemischen Löschmittel könnten Passagiere sonst beeinträchtigen.

Die 30 Menschen, die sich retten konnten, sind in umliegende Krankenhäuser gebracht worden. Rettungshubschrauber landeten dafür auf der Autobahn und flogen die Opfer in Kliniken. „Sie haben teils sehr schwere Verletzungen erlitten“, sagt Polizeisprecherin Anne Höfer.

Am Nachmittag treffen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und der bayerische Innenminister Joachim Herrmann am Unfallort ein. Herrmann beklagt ein „völlig unverantwortliches Verhalten“ mancher Autofahrer im Stau. Sie hätten es damit den Rettern erschwert, zur Unglücksstelle zu kommen, sagte er. Nach einem Unfall sei „sofort eine Rettungsgasse zu bilden – und zwar so, dass ein Lkw durchkommen kann.“

Zehn Minuten nach dem Alarm seien die Rettungskräfte am Ort gewesen – doch da sei die Hitze bereits so groß gewesen, dass kein Feuerwehrmann mehr an den Bus herantreten konnte. Herrmann sagt, diese Situation, nicht mehr helfen zu können, sei für die Feuerwehrleute extrem hart gewesen. (mit dpa/AFP)

Susanne Sodan

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