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Panorama: Unternehmer im Klassenzimmer

Fast jede zweite Berliner Haupt- und Berufsschule hat eine eigene Firma gegründet.Hier lernen Jugendliche Selbstständigkeit

Im Chemieraum der Max-BeckmannOberschule ist Produktionstag. 20 Jungen und Mädchen aus den Klassen acht bis elf erhitzen Fett, hantieren mit Flaschen mit der Aufschrift „D-Panthenol“ und tröpfeln Duftstoffe in Cremes. Seit 2003 stellt die Schülerfirma AquaMarin Kosmetik her und hat damit schon Preise gewonnen. Die Reinickendorfer Bezirksbürgermeisterin Marlies Wanjura gehört zu ihren Kunden, kürzlich kaufte Model Nadja Auermann eine Lotion. AquaMarin schreibt schwarze Zahlen – aber nur, weil die Schüler nebenbei noch die Schulcafeteria betreiben, wo sie täglich 150 Brötchen verkaufen. 200 Euro nehmen sie im Quartal über Bestellungen von Cremes ein, die zum Beispiel übers Internet kommen. Die gehen für den Ankauf der Inhaltsstoffe drauf. Um ein Gewerbe anzumelden, reicht es nicht, dafür muss man mindestens 30600 Euro Umsatz im Jahr erwirtschaften.

AquaMarin ist kein Einzelfall. Fast jede zweite der 251 Berliner Haupt- und Berufsschulen hat mittlerweile ihre Schülerfirma. Sie sind fester Bestandteil des Arbeitslehre-Unterrichts. Aber auch immer mehr Realschulen und Gymnasien werden zu Unternehmensgründern. Die ersten Schülerfirmen entstanden vor etwa zehn Jahren, seit fünf Jahren gibt es einen regelrechten Boom. Viele Schüler betreiben Cafeterien, manche reparieren Fahrräder, andere organisieren für Geld Veranstaltungen oder beliefern Partnerschulen in England und den USA mit Keksen, T-Shirts und Briefpapier. Tempelhofer Gymnasiasten überspielen mit ihrer Firma „Grammophonia“ alte Langspielplatten auf CD. Das Institut der Deutschen Wirtschaft zeichnete sie als bestes Berliner Juniorunternehmen aus.

Gerade für Haupt- und Realschüler, die nur schwer einen Ausbildungsplatz bekommen, ist die Schülerfirma eine Chance. Dort lernen sie, Ideen zu entwickeln und umzusetzen, betriebswirtschaftlich zu denken und sich zu vermarkten. Und sie müssen Verantwortung übernehmen. „Die Schüler gewinnen Selbstvertrauen und lernen, auf andere Menschen zuzugehen“, sagt Helga Mendau-Müllers, die das Schulfirmaprojekt JUNIOR für Berlin betreut. Auch Teamfähigkeit und Flexibilität sind gefragt. Denn die Firmen müssen sich auf Messen als Gruppe präsentieren, Liefertermine einhalten und für die Qualität ihrer Produkte geradestehen.

Um Schüler und Lehrer bei dem Aufbau einer Firma zu unterstützen, hat die Schulverwaltung die Einrichtung „Partner: Schule–Wirtschaft“ gegründet. Sie schult Lehrer, berät bei der Wahl der Rechtsform und knüpft Kontakte zwischen Schulen und Unternehmen. Über diese Verbindung hat mancher Hauptschüler dann doch noch eine Lehrstelle bekommen.

„Uns kam die Idee für die Cremes in der Kosmetik-AG“, sagt Conja Hartwich. Die 15-Jährige ist Geschäftsführerin von AquaMarin. Um Startkapital zu bekommen, haben die Neunt- und Zehntklässler Aktien verkauft. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung hat 4600 Euro dazugelegt. Davon haben die Jugendlichen Geräte, Fette und Aromen besorgt. Um die Buchhaltung kümmert sich noch Lehrer Friedhelm Rosenbusch, bald soll sie der Finanzbeauftragte Florian Freise, 15, übernehmen. „Er überrascht mich mit gereiften wirtschaftlichen Kenntnissen“, sagt der Chemielehrer. Svea Rosenbusch, die Chemie und Biologie unterrichtet und AquaMarin mit den ersten Rezepten für Kosmetika versorgt hat, strahlt. „Wir sind stolz auf sie!“

AquaMarin-Produkte kann man in der Max-Beckmann-Oberschule, Auguste-Viktoria-Allee 37, Reinickendorf, kaufen oder über Tel. 4134081 und unter www.aquamarin-mbo.de bestellen. Sie kosten zwischen drei und neun Euro.

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