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Panorama: Unterricht auf Bewährung

Keine Einigung mit ausgesperrten Pädagogen an der Novalis-Schule. Verwaltung will Lehrbetrieb prüfen

In Moskau warten an diesem Montagmorgen ein paar Schüler mit ihrem Lehrer vor der deutschen Botschaft auf ihre Visa: Vorbereitung für die nächste Runde im Austausch mit der freien Novalis-Schule im Köpenicker Ortsteil Friedrichshagen. Die Russen wissen noch nicht, dass die meisten Lehrer ihrer Berliner Partnerschule seit zehn Tagen Hausverbot haben.

Zur selben Zeit am Montagmorgen friert Russischlehrer Frank Deulbrecht vor dem von Polizisten bewachten Schultor – und überlegt, ob er die russischen Besucher gleich ausladen oder noch ein paar Tage hoffen soll. Die Frage ist nur, worauf.

Am Montag hat nach zehn Tagen Zwangspause wieder so etwas wie Unterricht begonnen. Zumindest wurden die knapp 150 verbliebenen Schüler von neuen Lehrern beschäftigt. Für Dienstag seien neue Stundenpläne angekündigt, berichtet ein Zwölftklässler. Vielleicht zu spät für ihn, denn sein Vater will sofort Konsequenzen ziehen. Nicht, dass er eine Idee hätte. Er will nur das Chaos nicht länger hinnehmen. Der Vater gehört zu jenem großen Teil der Elternschaft, die zu den alten Lehrern hält.

Wo genau die Fronten verlaufen, scheinen nicht einmal die Beteiligten komplett zu durchschauen. Offenbar ist es eine Mischung aus finanziellem Interesse, unterschiedlichen Ideologien und offenen Rechnungen zwischen Widersachern. Die Version der Ausgesperrten und der sympathisierenden Eltern geht etwa so: Die Lehrer haben das vom Senat und dem Schulträger „Freie Pädagogische Vereinigung e.V.“ zugewiesene Geld selbst verwaltet und binnen sieben Jahren viele Eigenmittel in den Aufbau der Schule gesteckt. Jetzt aber habe der Schulträgervereinen neuen Vorstand, der eine „feindliche Übernahme“ der Schule betreibe und sich ins mühsam gemachte Nest setze. Unter Vorwänden wurde dem Lehrerverein – und damit indirekt den Lehrern – gekündigt. Die konnten sich neu bewerben, was allerdings nicht alle taten. Einer spricht am Montag von „Erpressung“ und sagt, das Bewerbungsgespräch sei eine Farce gewesen. Offenbar sollten einige etablierte Kollegen gezielt von der Schule entfernt werden. Mit der Folge, dass in der vergangenen Woche der Unterricht ausfiel oder rudimentär im Freien veranstaltet wurde. „Das schöne Wetter hat mir sehr geholfen“, sagt eine der ausgesperrten Lehrerinnen kühl.

Die Novalis-Schule beruft sich auf den pädagogischen Ansatz von Waldorf-Begründer Rudolf Steiner, aber der Bund der Freien Waldorf-Schulen legt Wert auf die Feststellung, dass er mit der Novalis- Schule nichts zu tun hat – und erwägt sogar rechtliche Schritte dagegen, dass sie mit dem Namen Steiners wirbt. Es sieht also ganz und gar nicht danach aus, dass die Schule bald weich im Schoß des Waldorf- Vereins landet, wie manche Beteiligte hoffen.

Marion Popp gehört zum Vorstand des Trägervereins. Sie erklärt die Aussperrung der Lehrer mit fehlender Transparenz bei Abrechnungen und inhaltlichem Konzept und spricht ansonsten oft davon, dass nach vorn geschaut werden müsse. Das tut auch die Schulverwaltung – und zwar sehr genau. Am Montag war eine Abordnung des Bildungssenators in der Schule. Danach kündigte die Verwaltung „Unterrichtsbesuche der Schulaufsicht in allen Klassen“ an. Der Träger müsse in Wochenfrist Dokumente zu Fächern, Lehrern, Stundenplänen vorlegen. Danach werde über die Zukunft entschieden.

Die steht nach Meinung von Insidern ohnehin auf der Kippe: Weil in den vergangenen Monaten schon mehr als ein Viertel der einst 205 Schüler die Schule verlassen habe, dürften die entsprechend gesunkenen Landeszuschüsse ohnehin nicht mehr lange reichen, sagen sie.

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