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Unwetter-Katastrophe: Portugal trauert mit Madeira

Auf der Insel suchen Retter im Katastrophengebiet weiter nach Verschütteten. Kritik an der zunehmenden Bebauung wird laut.

Die Schlammlawinen haben eine Spur der Verwüstung auf der portugiesischen Urlaubsinsel Madeira gezogen. Bis zu einem Meter hoch bedecken Geröllmassen manche Straßen und Bürgersteige der Inselhauptstadt Funchal. Sie verschlangen alles, was sie auf ihrem Weg fanden: Hunderte Autos, dutzende Menschen, Palmen, Verkehrsschilder. Sogar Brücken und einige Gebäude wurden mitgerissen. „Das war wie ein Tsunami“, berichtete ein Bewohner im Fernsehen. Bagger und Bulldozer kämpften am Montag gegen die Trümmer- und Kraterlandschaften, welche auf den Straßen der hügeligen Stadt nach dem Unwetter zurückgeblieben waren. Feuerwehrleute versuchten, in die Tiefgarage eines Einkaufzentrums in der City vorzudringen, wo weitere Todesopfer vermutet werden. Das unterirdische Parkhaus war während der Geschäftsöffnungszeiten von der Schlammflut überschwemmt worden.

Bis zum Montagnachmittag wurden 43 Todesopfer in Funchal und in den Nachbargemeinden geborgen. Dutzende von Menschen werden noch vermisst. Einige Opfer sollen von den Fluten, die die Berge herabstürzten, ins Meer gespült worden sein. Die Tageszeitung „Publico “ sprach gar von bis zu 250 verschwundenen Personen. Der Bürgermeister Funchals, Miguel Albuquerque, äußerte sich „sehr besorgt“, dass die Zahl der Opfer „noch ansteigen“ könne. Viele „Autos mit Menschen und ganze Häuser wurden weggespült“, berichtete er. In einem Nebengebäude des Flughafens nahe Funchal wurde eine provisorische Leichenhalle eingerichtet.

Die Tragödie ist jetzt schon die schlimmste Inselkatastrophe seit 1929, als 32 Menschen bei einem Unwetter starben. Auch eine britische Urlauberin wurde getötet. Sie hatte mit ihrem Ehemann gerade ihr Hotel in Funchal verlassen, war in ein Taxi gestiegen, als plötzliche eine Flutwelle durch die Straße schoss und das Fahrzeug samt Insassen mitriss. Die 50-jährige Frau und der Fahrer kamen ums Leben, der 54-jährige Ehemann konnte sich retten. Hunderte Menschen mussten während der Sintflut von Bäumen und Hausdächern gerettet werden.

Mehrere tausend Urlauber befanden sich während des Unwetters am Wochenende auf Madeira. Vor allem Briten und Deutsche. Von den etwa 1400 deutschen Touristen kam nach vorläufigen Angaben der Reiseveranstalter niemand zu Schaden. Die Vulkaninsel, die sich zwischen Portugal und den Kanaren im Atlantik befindet und als Naturparadies berühmt ist, wird jedes Jahr von etwa einer Million Urlaubern, darunter viele Wanderfreunde, besucht. „Das ist eine Katastrophe, eine Tragödie“, sagte bestürzt Madeiras berühmtester Sohn, der portugiesische Fußballstar Cristiano Ronaldo, der für Spaniens Klub Real Madrid stürmt. Er widmete sein Tor, das er am Sonntagabend gegen Villarreal schoss, seinen Landsleuten auf der Insel.

Das Unwetter mit sintflutähnlichen Regenfällen und heftigem Sturm tobte vor allem im touristischen Süden der Insel, auf der etwa 260 000 Menschen leben. Neben der Hauptstadt Funchal mit etwa 100 000 Einwohnern waren die südlichen Gemeinden Ribeira Brava, Camara de Lobos und Santa Cruz erheblich betroffen. Aus einigen abgelegenen Bergsiedlungen gab es am Montag noch überhaupt keine Nachrichten.

Die Regionalregierung Madeiras forderte Urlauber und Bewohner am Montag auf, in ihren Häusern und Unterkünften zu bleiben, „um die Rettungsarbeiten nicht zu behindern und Risiken zu vermeiden“. Vielerorts drohten neue Erdrutsche Straßen oder Häuser zu verschütten. Die Schulen und Geschäfte blieben geschlossen. Portugals Regierung verhängte eine dreitägige Staatstrauer und erwägt, die Insel formell zum Katastrophengebiet zu deklarieren. Vom portugiesischen Festland aus wurden Soldaten, Feuerwehrleute, Ärzte und Taucher nach Madeira geschickt, um bei den Rettungs- und Aufräumarbeiten zu helfen. In zahlreichen Ortschaften gab es auch am Montag weder Strom noch Trinkwasser.

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Derweil nannten Umweltschützer und Rettungsexperten die rücksichtslose Siedlungspolitik auf Madeira als Ursache für die Katastrophe. „Das Unglück zeigt, was eine schlechte Planung anrichten kann“, kritisierte der portugiesische Zivilschutzverband. Die Besiedlung von Schluchten und Tälern hätten zur Tragödie beigetragen. Der lokale Ökoverband „Quercus Madeira“ beklagte ebenfalls „Planungsfehler“, die die Lage verschlimmert hätten. 

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