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Oscar Pistorius bei seiner Ankunft im Gericht am Mittwoch in Pretoria.

© AFP

Update

Urteil in Südafrika: Oscar Pistorius muss wegen Mordes sechs Jahre in Haft

Südafrikas Ex-Sportstar Oscar Pistorius hatte seine Freundin Reeva Steenkamp erschossen. Er erhält mildernde Umstände und muss nur sechs Jahre in Haft.

Das Urteil war mit Spannung erwartet worden: Ein südafrikanisches Gericht hat den früheren Spitzensportler Oscar Pistorius wegen der tödlichen Schüsse auf seine Freundin zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Damit wich die zuständige Richterin Thokozile Masipa am Mittwoch in Pretoria erheblich von den gesetzlich vorgesehenen mindestens 15 Jahren ab. Sie betonte, dass die "mildernden Umstände schwerer wiegen als die belastenden Faktoren". Damit komme ein geringeres Strafmaß in Frage. Experten waren zuvor von mindestens zehn Jahren Gefängnis für Pistorius ausgegangen. Unmittelbar nach der Entscheidung meldeten sich Kritiker zu Wort, darunter Frauenrechtler.

Der unterschenkelamputierte Sportler hatte seine Freundin Reeva Steenkamp im Februar 2013 durch die geschlossene Toilettentür seines Hauses in Pretoria erschossen. Pistorius beteuerte stets, Steenkamp für einen Einbrecher gehalten und in Panik geschossen zu haben. In erster Instanz wurde er im Oktober 2014 wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Jahren Haft verurteilt. Im Dezember kam ein Berufungsgericht aber zu dem Urteil, dass Pistorius mit "krimineller Absicht" gehandelt habe, und sprach ihn des Mordes schuldig. Eine Beschwerde des Sportlers gegen dieses Urteil wurde im März vom Verfassungsgericht zurückgewiesen.

"Er ist ein gefallener Held, er hat seine Karriere verloren, er ist finanziell ruiniert"

Verteidigung und Berufung können innerhalb von zwei Wochen Berufung gegen das Urteil einlegen. Die Verteidigung will jedoch nicht gegen die Entscheidung vorgehen, wie der örtliche Nachrichtensender eNCA berichtete. Pistorius kann nach Verbüßung eines Teils der Haftstrafe einen Bewährungsantrag stellen. Sollte die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das Strafmaß beantragen - was als wahrscheinlich gilt - muss erneut Richterin Masipa über diesen Antrag entscheiden, wie der südafrikanische Strafrechtler Llewellyn Curlewis erklärte. Sollte sie zustimmen, müsse das oberste Berufungsgericht über ein neues Strafmaß befinden.

Der Paralympics-Star Pistorius galt in seiner Heimat als eine Art Volksheld. "Er ist ein gefallener Held, er hat seine Karriere verloren, er ist finanziell ruiniert", erklärte Masipa. Außerdem sei Pistorius ein Ersttäter. Es sei unwahrscheinlich, dass er noch einmal das Gesetz brechen werde. Richterin Masipa erklärte, keine Entscheidung eines Gerichts könne der Familie Reeva zurückbringen. Sie argumentierte, dass Pistorius das Verbrechen ehrlich bereue und mehrmals versucht habe, sich persönlich bei der Familie zu entschuldigen. Diese habe das allerdings abgelehnt. Masipa folgte bei ihrer Entscheidung der Version der Verteidigung, wonach Pistorius aus Angst um sein Leben schoss. Der 29-Jährige trug zum Tatzeitpunkt seine Prothesen nicht und habe sich daher verletzlich gefühlt. Nach der Strafmaßverkündung wirkte Pistorius sichtlich gelöst und umarmte Familie und Freunde. Er wurde vom Gericht aus direkt in ein Gefängnis gebracht. Die Entscheidung in Südafrika über das Schicksal des 29-Jährigen fällte am Mittwoch dieselbe Richterin, die Pistorius in erster Instanz zu fünf Jahren Haft verurteilt hatte.

Die Frauenorganisation der südafrikanischen Regierungspartei ANC zeigte sich empört über das Urteil. Es sei eine "Beleidigung für Frauen und die Steenkamp-Familie" sagte die Sprecherin Jackie Mofokeng der Afrikanischen Nachrichtenagentur ANA zufolge. Die Organisation geht davon aus, dass es sich bei dem Tod von Steenkamp um einen Fall von Gewalt gegen Frauen handelt. Richterin Masipa hingegen kam zu den Schluss, dass Steenkamp und Pistorius keine gewalttätige Beziehung führten.

Oscar Pistorius wirkte sichtlich angeschlagen

Pistorius hörte den Ausführungen der Richterin regungslos zu und blickte häufig auf den Fußboden. Er wirkte sichtlich angeschlagen, auch die Familie der Toten war im Gerichtssaal. Steenkamps Vater, Barry Steenkamp, hatte bei der Anhörung über der Strafmaß im Juni mit einer emotionalen Aussage gerührt. Er sprach unter Tränen über den Verlust seiner Tochter.

Pistorius war im Oktober - nur ein Jahr nach seiner Verurteilung - aus dem Gefängnis entlassen worden. Unter strengen Auflagen lebte der 29-Jährige unter Hausarrest bei einem Onkel. Auch nach der Einstufung der Tat als Mord blieb er auf freiem Fuß.

Oscar Pistorius hatte seine Freundin, das Model Reeva Steenkamp, im Februar 2013 erschossen.
Oscar Pistorius hatte seine Freundin, das Model Reeva Steenkamp, im Februar 2013 erschossen.

© dpa/Timothy Bernard

Für die Entscheidung über das Strafmaß wurden in einem verkürzten Verfahren in den vergangenen Wochen nochmals Anklage und Verteidigung sowie Zeugen beider Seiten angehört. Pistorius' Anwalt Barry Roux hatte dabei noch einmal nachdrücklich für Milde geworben: Er schilderte Pistorius als einen "gebrochenen Mann", der für seine Tat bereits schwer bestraft worden sei. "Er hat seine Zukunft verloren", sagte der Verteidiger, demzufolge Pistorius unter Depressionen leidet. Pistorius habe "körperlich", sozial und finanziell bezahlt, argumentierte Roux. Um die Verletzlichkeit seines Mandanten zu demonstrieren, ließ er Pistorius Mitte Juni ohne Beinprothesen durch den Gerichtssaal humpeln. Staatsanwalt Gerrie Nel drang in seinem Schlussplädoyer erneut auf eine strenge Auslegung des Strafrechts, also eine Haftstrafe von mindestens 15 Jahren. Pistorius habe nicht nur einmal geschossen, sondern viermal, hob Nel hervor. Dafür habe er keine akzeptable Begründung geliefert. Steenkamps 73-jähriger Vater Barry brach zusammen, als er im Juni vor Gericht forderte, Pistorius müsse "für sein Verbrechen bezahlen". (dpa/AFP)

Richterin Thokozile Masipa fällte am Mittwoch das Urteil.
Richterin Thokozile Masipa fällte am Mittwoch das Urteil.

© dpa

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