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Urteil: Nach zwölf Jahren zweiter Freispruch im Fall Wörz

Der wegen versuchten Totschlags an seiner Ex-Frau angeklagte Harry Wörz ist im nunmehr dritten Prozess vom Landgericht Mannheim freigesprochen worden. Aller Voraussicht nach ist das aber immer noch nicht das letzte Wort.

Das Landgericht Mannheim hat am Donnerstag entschieden, dass der 43-jährige Installateur aus Birkenfeld bei Pforzheim nicht der Mann war, der seine damalige Ehefrau im April 1997 fast erdrosselt hat. Mit ungewohnter Deutlichkeit nannte die Strafkammer den damaligen Geliebten des Opfers als Hauptverdächtigen - einen Kommissar der Pforzheimer Polizei.

Wörz, der nach seiner ursprünglichen Verurteilung in dem beispiellosen Indizienprozess vier Jahre und sieben Monate im Gefängnis verbracht hatte, brach nach der Urteilsverkündung in Tränen aus. Der Vertreter der Nebenklage kündigte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) an. Die Staatsanwaltschaft will erst nach Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung entscheiden, ob wegen der Tat nun gegen den 50-jährigen Kommissar ermittelt wird, kündigte deren Vertreter Philipp Zinkgräf an.

Dass Harry Wörz jener Mann war, der am 29. April 1997 kurz nach zwei Uhr nachts in die Wohnung des Opfers in Birkenfeld kam und ihr dann mit einem Wollschall minutenlang den Hals zuschnürte, „hält die Kammer allenfalls für möglich, letztlich aber für eher unwahrscheinlich“, sagte der Strafkammervorsitzende Rolf Glenz. Das Opfer - die inzwischen von Wörz geschiedene Frau - ist seit der Tat schwerst gehirngeschädigt und kann nicht mehr aussagen. „Sie hat das Mitgefühl der Kammer angesichts ihres schweren Schicksals“, sagte Glenz.

Leichte Konflikte zwischen Wörz und seiner damals bereits von ihm getrenntlebenden Frau wegen des Besuchsrechts für den damals zweijährigen Sohn waren aus Sicht des Gerichts damals weitgehend ausgeräumt. Ein Motiv habe selbst das Landgericht Karlsruhe - das Wörz 1998 zu elf Jahren Haft verurteilte - nicht erkennen können, sagte Glenz an die Adresse von Rechtsanwalt Michael Schilpp, der als Vertreter des Opfers besonders hartnäckig am Schuldvorwurf festhielt: „Einen nur halbwegs klar umrissenen Beweggrund für die ungewöhnliche Tat bleibt die Nebenklage schuldig.“

Stattdessen lenkt das Landgericht das Augenmerk auf den damaligen Geliebten der damals 26-jährigen Frau, der in den Stunden vor der Tat zwischen einem Ultimatum seiner Ehefrau und dem Drängen der Freundin hin und her gerissen gewesen sei: Der Mann, „der sich in einem permanenten Gefühlskonflikt befand, wollte keine der beiden Frauen aufgeben“. Die Kammer halte es für „durchaus wahrscheinlich“, dass er im eskalierenden Beziehungskonflikt nachts zur Freundin gefahren sei: „Er hatte allen Grund, sie noch zu später Stunde aufzusuchen“, sagte Glenz. Dass er - wie die Ehefrau angegeben hatte - zu Hause gewesen sein soll, hält das Gericht nicht für erwiesen: „Er hat für die Tatzeit kein Alibi.“

Hubert Gorka, Verteidiger von Wörz, wertete das Urteil durchweg positiv: „Das ist mehr, als man erwarten konnte“, kommentierte er den Hinweis der Kammer auf den verdächtigen Polizisten. Gorka hatte nach langem Ringen mit der Justiz eine Wiederaufnahme des bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens durchgesetzt, das 2005 mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen beim Landgericht Mannheim endete.

Der BGH hatte den Freispruch vor drei Jahren überraschend aufgehoben, weil das Landgericht einen Brief aus dem Gefängnis nicht ausreichend gewürdigt habe, in dem Wörz geschrieben hatte, wenn das Opfer aufwache und sage „ich wär' es gewesen, bin ich für Jahre im Knast“. Die Mannheimer Richter haben nun erstmals festgestellt, dass Wörz in dem vermeintlichen Geständnis lediglich eine Formulierung wiederholt hatte, mit der ihn die vernehmenden Beamten ständig konfrontiert hatten. (smz/dpa)

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