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Urteil: Nato-Dolmetscherin verrät Polizeigeheimnisse - Haftstrafe

Weil ihre Vorgesetzten ihr keine Beachtung schenkten , verhalf eine Dolmetscherin der Nato einer Heroindealer-Bande zur Flucht - ohne eine Gegenleistung für die Tat erhalten zu haben. Nun muss die Frau für drei Jahre ins Gefängnis.

Gefasst sitzt die 32 Jahre alte ehemalige Nato-Dolmetscherin auf der Anklagebank, als am Dienstag vor dem Münchner Landgericht das Urteil fällt. Drei Jahre muss die Frau aus Kiel hinter Gitter, weil sie mit dem Verrat von Ermittlungsergebnissen der Münchner Polizei fünf Mitgliedern einer albanischen Heroindealer-Bande zur Flucht verholfen hatte. Sie wird "wegen Strafvereitelung in fünf tateinheitlichen Fällen" verurteilt.

Nicht immer war die Frau während des Prozesses so gefasst wie zur Urteilsverkündung. Mehrfach war sie während der vier Tage dauernden Verhandlung in Tränen ausgebrochen. Aus der Fassung hatte sie vor allem gebracht, dass sie im Nachhinein selbst nicht erklären konnte, warum sie der Drogendealer-Bande überhaupt geholfen hatte. Schließlich hatte sie weder Geld noch irgendeine andere Zuwendung für ihre Dienste erhalten.

Im Mai 2008 hatte die Dolmetscherin die Münchner Polizei bei der Übersetzung von Telefonaten und SMS einer Bande albanischer Heroindealer unterstützt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie wenige Tage bevor sie wieder zur Nato in den Kosovo zurückkehren sollte, die observierten Täter selbst aufsuchte und vor dem geplanten Zugriff der Polizei warnte.

Richterin: "Angeklagte wollte sich wichtig machen"

Dieses Verhalten nannte die Vorsitzende Richterin Renate Baßler in ihrer Urteilsverkündung einen "eklatanten Vertrauensbruch". Die Dolmetscherin hätte durch ihre Arbeit für die Nato gewusst, dass man solche Informationen nicht weitergeben dürfe. Auch dass sich die Heroindealer nach den geheimen Informationen aus dem Staub machen würden, hätte die Frau wissen müssen.

"Die Angeklagte wollte sich wichtig machen, da sie weder von ihrem Chef noch von der Polizei beachtet wurde", urteilte Richterin Baßler. Die Angeklagte sei frustriert von ihrer Arbeit gewesen, da sie wochenlang täglich zehn bis zwölf Stunden gearbeitet hätte. Zudem sei sie von ihrem Chef, dem Inhaber des von der Polizei engagierten Übersetzungsbüros, gedemütigt worden. Dieser habe ununterbrochen an der Übersetzungsqualität der 32-Jährigen herumgenörgelt.

Ob die Dolmetscherin ihren Beruf nach der Haft wieder aufnehmen kann, ist ungewiss. Zwar entsprach das Urteil nicht dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf ein Berufsverbot. Richterin Baßler sieht jedoch kaum Möglichkeiten für die Verurteilte, später wieder für Polizei oder Strafjustiz tätig zu werden. Die Chance, im zivilen Bereich wieder eine Arbeit als Dolmetscherin zu finden, wollte das Gericht der Verurteilten jedoch nicht nehmen.

Christian Schenk[ddp]

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