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Nur mit Karte. In Schweden akzeptieren viele Läden kein Bargeld mehr.

© IMAGO

US-Ökonom: Larry Summers will Bargeld abschaffen, damit Staat und Banken besseren Zugriff haben

Der Harvard-Ökonom Larry Summers fordert, dass nur noch mit Karte bezahlt werden kann. Damit könnten Staat und Banken Kontoinhabern zusätzliche Belastungen aufzwingen, ohne dass die Verbraucher auf Bargeld ausweichen könnten.

Verbraucher sollten aufhorchen, wenn die nächste Kampagne durch die Medien geistert, wonach Geld unhygienisch sei. So fing es in Schweden auch an. Dort bezahlt kaum noch jemand mit Bargeld. Es gibt inzwischen Lebensmittelläden, in denen gar nicht mehr bar bezahlt werden kann. Selbst in Kneipen wird ein einziges Bier mit Karte bezahlt. Auch in das Abba-Museum kommt man nicht mehr mit Bargeld. Abba-Sänger Björn Ulveaus plädierte kürzlich für eine vollkommene Abschaffung des Bargeldes. Dabei hatte die Band einst mit „Money, Money, Money“ einen Superhit gelandet.

Ältere Deutsche zahlen mehr in bar

Die Deutschen sind rückständiger, vielleicht auch nur vorsichtiger. Sie wollen auf das Bargeld nicht verzichten, ergab eine Studie der Bundesbank. 53 Prozent der Ausgaben für Waren und Dienstleistungen wurden demnach 2011 bar bezahlt. Es gibt allenfalls einen leichten Trend weg vom Geldschein. Vier Jahre zuvor waren es noch 58 Prozent der Ausgaben, die bar bezahlt wurden. Bei den Kleinbeträgen wird Bargeld nach wie vor am meisten genutzt, während hohe Beträge immer öfter mit Karte bezahlt werden. Einkommensstärkere sowie Personen mit höherem Bildungsstand nutzen Karten stärker. Es ist auch eine Frage des Alters. Ältere ziehen Bargeld vor.

Vielleicht haben sie ein gesundes Misstrauen. Nicht nur haben die Verbraucher einen besseren Überblick über die Ausgaben, wenn sie jedes Mal mit Scheinen bezahlen. Sie machen auch weniger Kreditkartenschulden, deren hohe Zinsen zudem oft nicht transparent sind.

Larry Summers sieht die Zukunft des Westens pessimistisch und verlangt drastische Maßnahmen

Der Harvard-Ökonom Larry Summers, der unter US-Präsident Bill Clinton Finanzminister war und von Barack Obama beinahe als Nachfolger von Ben Bernanke als Chef der US-Notenbank (Fed) nominiert worden wäre, hat kürzlich auf einer Forschungskonferenz des Internationalen Währungsfonds einen radikalen Vorschlag gemacht, der seither debattiert wird. Das Bargeld solle abgeschafft werden, damit Staat und Banken den Zinssatz deutlich unter Null drücken könnten. Das hieße, dass jeder, der Ersparnisse auf dem Konto hat, einen bestimmten Prozentsatz jedes Jahr draufzahlen muss. Da bei diesem Szenario viele Leute Bargeld im Safe horten würden, müsse man das Bargeld abschaffen, damit Staat und Banken Zugriff haben und das Konzept durchsetzen können. Zudem würden die Leute dann ihr Geld lieber ausgeben, was die Konjunktur anschieben würde, was Summers ebenfalls erreichen möchte.

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Die riesigen Ersparnisse der Bürger müssen in staatliche und private Investitionen umgeleitet werden

Hintergrund der Debatte ist die Analyse von Summers und anderen US-Ökonomen, nach der die westliche Welt seit über 20 Jahren kein gesundes Wachstum mehr hat. Die westlichen Volkswirtschaften hangeln sich von einer Spekulationsblase zu nächsten, jedes Mal wird ein noch größeres Rad gedreht, was nur weitere Blasen entstehen lässt. Summers geht davon aus, dass auch in den nächsten Jahrzehnten eine langanhaltende Stagnation in den westlichen Volkswirtschaften droht – ähnlich wie in den letzten Jahrzehnten in Japan. Da Wachstum aber notwendig sei, damit kleiner werdende Generationen die Renten größerer Generationen finanzieren können, damit Staatsschulden abbezahlt werden und weiter in Bildung und Infrastruktur investiert wird, ist ein Mechanismus notwendig, der die riesigen Ersparnisse der Bürger von ihren Konten weg in private und staatliche Investitionen lenkt. Summers und seine Mitstreiter setzen auf eine Ankurbelung der Nachfrage mit drastischen Mitteln, wozu auch massive Investitionen des Staates zählen, die von den Bürgern bezahlt werden müssen.

Die deutsche Regierung lehnt das ab

Es ist hierzulande vielleicht beruhigend, dass die deutsche Regierung den gesamten Ansatz aus dem angelsächsischen Raum prinzipiell ablehnt und stattdessen Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen verlangt, um die Volkswirtschaften wieder auf die Füße zu stellen.

Aber der Geist ist aus der Flasche. Wenn also das nächste Mal eine Studie beweist, dass Geldscheine unhygienisch sind, sollte man fragen, ob es wirklich sinnvoll ist, entsprechende Konsequenzen zu ziehen. „Pecunia non olet“ – Geld stinkt nicht –, soll Kaiser Vespasian seinem Sohn Titus gesagt haben, als dieser die Latrinensteuer kritisierte. Für Deutsche beruhigend ist die Aussage von Carl-Ludwig Thiele, im Vorstand der Deutschen Bundesbank zuständig für baren und unbaren Zahlungsverkehr: „Verbraucher und Händler entscheiden letztlich selbst, welche Zahlungsinstrumente sie nutzen und anbieten wollen.“

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