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Geschafft. Der Franzose Armel Le Cléac’h bei der Zielankunft.

© AFP

Vendée Globe Finish: In 74 Tagen um die Welt

Mission erfüllt: Im dritten Anlauf gewinnt der Franzose Armel Le Cléac’h das legendäre Segelrennen Vendée Globe.

Der Schock ist groß, der Kontrast zu scharf. Nach zweieinhalb Monaten allein auf See taucht Armel Le Cléac’h am Donnerstagnachmittag in ein Meer aus Glückwünschen und den Jubel von Hunderttausenden. Die ersten Zuschauerboote erwarten den Sieger des Vendée Globe weit vor der Hafeneinfahrt von Les Sables D’Olonne, von wo der 39-Jährige Anfang November mit 28 weiteren Einhandseglern aufgebrochen war und wohin er nun nach seiner Non-Stop-Umrundung des Erdballs als Erster zurückgekehrt ist. Der Empfang ist überschwänglich, trotz frostiger Kälte. Wie immer, wenn der Sieger dieses legendären Rennens aus seiner Einsamkeit der Ozeane heimkehrt.

Obwohl die Solosegler auf ihren hochmodernen Yachten in ständigem Kontakt mit der Außenwelt stehen, obwohl es Telefonkonferenzen für die Öffentlichkeit gibt und sie kleine Videofilme von Bord schicken, sind sie doch vor allem mit sich selbst beschäftigt. Und Armel Le Cleac’h gehört zu den Verschlossenen. Der Bretone hat zwölf Jahre lang energisch auf diesen Triumph hingearbeitet und sich unterwegs nicht in die Karten gucken lassen. Über mögliche Schäden am Boot, von denen niemand bei dieser Tour de Globe verschont bleibt, hielt er sich bedeckt. Er hatte eine Rechnung offen, die sich von den vielen unerfüllten Träumen seiner in früheren Rennen gescheiterten Konkurrenten dadurch unterschied, dass er sich zweimal hintereinander knapp geschlagen geben musste. Der ewige Zweite - das wäre schmerzhaft in einem Land, das die Vendée-Globe-Sieger als nationale Helden verehrt.

Der Sieger. Armel Le Cléac'h ist ein bescheidener Mann. Normalerweise. Bei der Einfahrt in den Hafen von Les Sables D'Olonne entzündet er aus Freude über seinen Triumph beim Vendée Globe seine Seenot-Fackeln.
Der Sieger. Armel Le Cléac'h ist ein bescheidener Mann. Normalerweise. Bei der Einfahrt in den Hafen von Les Sables D'Olonne entzündet er aus Freude über seinen Triumph beim Vendée Globe seine Seenot-Fackeln.

© Damien Meyer / AFP

Diesmal musste es einfach gelingen, er ging mit einem auf ihn zugeschnittenen Boot an den Start, finanziert von der großen Banque Populaire, er galt als Favorit. "Schakal" wird Le Cléac'h von seinen Gegnern genannt. Wegen seiner Unerbittlichkeit. Er schlief weniger als andere, ging an seine physischen Grenzen und die Belastungsgrenzen des Materials, blieb kühl, kalkulierte mit scharfem Verstand und fand auf jedes Problem, das ihm das Wetter stellte, die richtige Antwort. Dabei lief längst nicht alles glatt. Er behielt für sich, dass ihm ein Vorsegelbeschlag brach, so dass ihm für die mittleren Winde das passende Tuch fehlte. Trotzdem hat es am Ende geklappt. Wiewohl abermals knapp.

In einem ersten Interview wurde er nach den Strapazen gefragt. Da stockte seine Stimme, und die Tränen verbarg er hinter Händen, die er sich für lange Momente vors Gesicht hielt. Männer weinen über die Härte, die sie sich selbst abverlangen. Le Cléac'h konnte erst in der letzten Nacht sicher sein, dass ihm der Triumph wohl nicht mehr zu nehmen sein würde.

Am Rand der Erschöpfung

Ihm im Nacken saß Alex Thomson, der 42-jährige Brite wäre gern der erste Nichtfranzose geworden, der das Vendée Globe gewinnt. Nach vergeblichen Anstrengungen 2004 und 2008, als er mit technischen Defekten aufgeben musste, wurde er zuletzt Dritter. Er brachte diesmal das innovativste Schiff an den Start. Die kohlschwarze Hugo Boss bestach durch die spitz zulaufende Frontpartie und ihr radikales Flügeldesign. Welches Potenzial in ihr steckte, zeigte Skipper Thomson bei den Capverden, als er sich geschickt durch die Inselgruppe schlängelte, den Windschatten der in die Passatwinde reichenden Berge vermeidend, und sich absetzte. Sein Vorsprung war nie groß, aber beständig. Bis Thomson einen Gegenstand im Wasser streifte und eines der beiden Flügelschwerter einbüßte. Zwar konnte er seine Reise fortsetzen, fiel aber sukzessive zurück wie ein Auto, dessen einer Reifen Luft verliert. Für ihn sei es eine "harte Prüfung" gewesen, "sich von der Frustration nicht überwältigen zu lassen". Le Cleac’h übernahm am 19. Tag die Führung und baute sie auf mehr als 700 Meilen aus. Bei Kap Hoorn schien er uneinholbar.

auZuhause. Am frühen Freitagmorgen gelangte der Brite Alex Thomson als Zweitplatzierter ins Ziel. Mit einem Rückstand von 16 Stunden auf den Sieger.
auZuhause. Am frühen Freitagmorgen gelangte der Brite Alex Thomson als Zweitplatzierter ins Ziel. Mit einem Rückstand von 16 Stunden auf den Sieger.

© Reuters

Doch das Wetterglück war dem wackeren Verfolger im Atlantik gewogen, der seine Berichte von Bord stets mit einem lockeren "Hi, everyone" einleitete und plastisch erzählen konnte, vor welche Schwierigkeiten ihn die Jagd stellte. Der sympathische Blondschopf, der im Alter von 16 Jahren seine Mutter verlor und das Segeln als Trauertherapie entdeckte, hatte die Segelwelt auf seiner Seite, sein französischer Kontrahent nur Frankreich. In den schwachwindigen Doldrums kam Thomson immer näher. Schließlich verkürzte er die Distanz mit einem neuen Rekord von 536 Meilen, die er in 24 Stunden zurücklegte. Ihn trennte ein Rückstand von zwei Stunden auf den Führenden. Am Ende waren es Probleme mit der Selbststeueranlage, die ihn an den Rand der Erschöpfung brachten.

Die Weltumrundung gelingt in neue Bestzeit

Als Le Cléac’h nach 74 Tagen im Ziel eintrifft, hat er die Bestleistung von Francois Gabart aus dem vorhergehenden Rennen um vier Tage unterboten. Einen Teil dürften die Flügelschwerter dazu beigetragen haben. Doch "es ist der Segler, der den Unterschied ausmacht", hatte Cléac'h vor dem Start gesagt.

Schon öfter entschieden trotz der enormen Strecke von 26.000 Meilen nur wenige Stunden über den Ausgang des Vendée Globe. So kam Titouan Lamazou bei der Premiere 1989 nur 17 Stunden vor Loick Peyron ins Ziel - nach 109 Tagen auf See. 2005 trennten den Sieger Vincent Riou sogar nur sieben Stunden vom Zweitplatzierten Jean Le Cam. Beide machten sich auch diesmal wieder auf den Weg.

Derzeit befinden sich noch 18 Teilnehmer auf der Strecke. Dritter dürfte Jérémie Beyou werden, dessen Rückstand etwa drei Tage beträgt, gefolgt von den Veteranen Jean-Pierre Dick, Yann Eliés und Le Cam, für die das Vendée Globe Teil ihrer seglerischen DNA ist. Hinter ihnen segelt ein Dutzend Männer - diesmal nur Männer -, die nur ankommen wollen.

Der Sportjournalist Sébastien Destremau, der noch 9000 Meilen von seinem Ziel entfernt ist, hat öfter Schraubenschlüssel in der Hand als das Steuer. Aber seine Videobotschaften sind lustige Momentaufnahmen eines Mannes, der im Nirgendwo nach Antworten auf Probleme sucht, von denen er gar nicht wusste, dass es sie geben könne. Als der 52-Jährige den lebenswichtigen Generator seiner betagten Yacht nicht zu starten vermochte, bat er seine Follower um Rat. Einer hatte einen. Michel Desjoyeaux, zweimaliger Vendée-Globe-Sieger, erklärte ihm, wie er sich den Schwung fürs Anwerfen der Maschine durch eine Halse holen könne. Was Destremau sogleich beherzt in die Tat umsetzte.

Es sind solche Typen, die das Abenteuer dieser Weltumrundung von jeher haben einzigartig sein lassen.

Noch nie hat ein Deutscher am Vendée Globe teilgenommen. Boris Hermann will es in vier Jahren versuchen. Der erfahrene Hochseespezialist, der finanzstarke Unterstützung in Monaco gefunden und bereits einen Open 60 der neusten Generation erworben hat, könnte es sogar gewinnen. Denn der Profisegler aus Oldenburg ist ein international gefragter Navigator und hat mehrere Geschwindigkeitsrekorde auf seinem Konto.

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