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Verdorbenes Wildfleisch: Bayerischer Skandal zieht Kreise

Der Skandal um verdorbenes Wildfleisch aus Bayern weitet sich aus. Produkte der in Verdacht geratenen Passauer Firma Berger wurden in mehreren Bundesländern und auch in Österreich entdeckt.

Berlin - Zwei Betriebsstätten des Unternehmens wurden von den Behörden geschlossen, dort dürfen ab sofort keine Fleischprodukte mehr hergestellt werden. Ware des Unternehmens gelangte nach Rheinland-Pfalz: Drei Zwischenhändler wurden mit 200 Kilogramm tiefgekühlten Hasenkeulen beliefert, teilte das Umweltministerium in Mainz mit. Die Ware sei bereits größtenteils sichergestellt worden.

Auch in Nordrhein-Westfalen und Hessen tauchte möglicherweise verdorbenes Wildfleisch aus Bayern auf. Kontrolleure stellten 75 Kilogramm Fleisch bei zwei Großhändlern in NRW sicher, teilte die Soester Lebensmittelüberwachung am Freitag mit. Noch ist aber unklar, ob die Produkte vergammelt sind. Ein niederländischer Empfänger war alarmiert worden, noch bevor er das Fleisch an Supermärkte geliefert hatte. Das Bundesverbraucherministerium hält den Skandal für "gravierend".

"Wenn es zutrifft, dass der Betrieb in der Vergangenheit mehrfach kontrolliert worden ist, deutet das auf schwere Defizite bei den Kontrolleuren hin", sagte der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Müller (CSU) der "Passauer Neuen Presse" (Freitag). "Das muss genauestens untersucht werden."

Müller sagte weiter, der Fall des Passauer Unternehmens müsse zum Anlass genommen werden, den Druck auf die Länder zur Umsetzung des Zehn-Punkte-Programms von Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) zu erhöhen. Das Bundesverbraucherministerium betonte, dass die Verantwortung der Aufklärung zunächst bei den Ländern liege. Der Bund könne koordinierend tätig werden. Wenige Tage nach Bekanntwerden des Skandals hat das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Bayern die Aufklärung übernommen. Die Leitung der Sonderkommission sei dem Landesamt übertragen worden, sagte ein Sprecher des bayerischen Verbraucherschutzministeriums. Bisher war die Regionalregierung von Niederbayern dafür zuständig.

Als Grund für den Zuständigkeitswechsel gab das Ministerium an, dass die Vizepräsidentin der Regierung von Niederbayern und bisherige Soko-Chefin Monika Weinl krank geworden sei. Nach Informationen der ARD-"Tagesschau" hat Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU) jedoch weitere Konsequenzen aus dem Skandal um das Passauer Unternehmen Berger-Wild gezogen und der Regierungsbehörde in Landshut die Leitung entzogen.

Der Passauer Wildfleischhändler ist nach Angaben der deutschen Wildhalter bereits vor Jahren mit zweifelhaften Geschäftspraktiken aufgefallen. Das Unternehmen habe damals von bayerischen Wildhaltern Fleisch von Gehegetieren zu Dumpingpreisen kaufen wollen, sagte der Vorsitzende des Bundesverbandes für landwirtschaftliche Wildhaltung, Karl-Heinz Funke. Das Angebot habe rund 60 Prozent unter dem normalen Marktpreis gelegen. "Dieses wurde entschieden abgelehnt, da solches Geschäftsgebaren mit der Geiz-ist-Geil-Mentalität zum Verramschen von hochwertigen Fleischqualitäten führen würde", erklärte der frühere SPD-Bundesagrarminister. Berger ist nach Angaben der Wildhalter Europas größter Wildfleischhändler. Funke kritisierte die Behörden scharf. Trotz staatlicher Kontrollpflichten würden in großen Unternehmen Vergehen wie beim jüngsten Skandal nicht festgestellt.

Das Gesundheitsministerium in Wien ordnete eine Rückholaktion für zwölf Produkte der Firma Berger an. In fünf Bundesländern wurde nach Angaben der Nachrichtenagentur APA verdorbenes Fleisch sichergestellt. Überprüfungen hätten ergeben, dass das Fleisch für den Verzehr nicht geeignet gewesen sei. Die Behörden halten es jedoch wegen des Aussehens und des säuerlich-fauligen Geruchs der Stücke für unwahrscheinlich, dass Käufer die schlechte Ware bereits verzehrt haben könnten.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte deutliche Sanktionen gegen "schwarze Schafe". "Wir brauchen Unternehmensstrafen", sagte Vize-Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt am Freitag der dpa in Berlin. Die Bußgelder könnten sich etwa am Umsatz orientieren. Die bisherigen Maßnahmen im Kampf gegen Gammelfleisch reichen nach Ansicht von Foodwatch "bei weitem" nicht aus. Nötig sei eine Reform des Kontrollsystems.

Agrarminister Seehofer hatte als Konsequenz aus dem Skandal um verdorbenes Fleisch 2005 mit den Ländern einen Zehn-Punkte-Plan vereinbart, der unter anderem eine bessere Koordination der Kontrollen und eine Meldepflicht für angebotenes Gammelfleisch vorsieht.

In Zusammenhang mit aufgeflogenen Fällen von Gammelfleisch ermittelt derzeit auch die Kieler Staatsanwaltschaft gegen einen Großhändler in Neumünster. Bei einer Durchsuchung seien im Jahr 2005 insgesamt 15 Tonnen mit abgelaufenem Verbrauchsdatum sichergestellt und vernichtet worden. (tso/dpa)

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