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Verurteilter Hund: Freiheit des Gebells

Picco, ein bellender Hund, stört am Volkstrauertag die Zeremonie der Bundeswehr zur Gedenkstunde der Kriegstoten. Der Hundehalter deklamiert, dass sein Hund ein "politisch aktiver Hund" sei, der gegen die Blasmusik protestiert habe. Der Mann muss trotzdem ein Bußgeld bezahlen. Ungerecht, sagt unser Kolumnist Helmut Schümann und fordert die Meinungsfreiheit auch für Picco, die Freiheit des Gebells.

Es ist immer etwas heikel, in Berlin über Hunde zu reden. Selbst wenn man gar kein Hundehasser ist, bekommt man Prügel, wenn man nur eine Winzigkeit Restskepsis äußert, weil so ein liebes Hundchen mal wieder aufs Trottoir oder mitten auf den Bouleplatz geschmutzt hat. Insofern ist schon klar, was passieren wird, auch wenn ich vollinhaltlich auf der Seite von Picco bin.

Picco ist Münchner, ein Mischling, und nach Aussage seines Besitzers ein „politisch aktiver Hund“. Und Picco bellt. Ich meine, wenn Rocco, ein anderer mir persönlich bekannter Hund, bellt, dann bellt er den Gruber an, den blöden Nachbarn. Rocco meint das sehr persönlich, weil der Gruber so ein Depp ist. Meines Wissens hat sich Rocco politisch noch nie geäußert. Picco hingegen schon. Und zwar am Volkstrauertag im Münchner Hofgarten. Und zwar 40 Minuten lang. Und zwar bei der Gedenkstunde für die Weltkriegs-Toten. Die wird, man ist in München, mit viel Tschingderassabum und Blaskapelle der Bundeswehr begangen. Am Ende spielt die Blaskapelle der Bundeswehr auch noch die Nationalhymne, natürlich nur die dritte Strophe. Und Picco bellt.

Es gibt aber Menschen, die halten militärische Ehrungen im Zusammenhang mit Kriegstoten für etwas widersprüchlich, weil sie mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen der Meinung sind, „dass Militär keine Konflikte löst“.

Piccos Herrchen ist so ein Mensch. Und weil das Amtsgericht München der Auffassung ist, dass Picco gar kein aktiv politisch aktiver Hund ist, sondern nur passiv politisch aktiver, hat es den Hundehalter zu 100 Euro Bußgeld verurteilt. Der argumentiert, dass sich sein Hund nur über die Blasmusik aufgeregt hat. Das kann man glauben oder auch nicht, fürs Erste spricht die Blasmusik überhaupt, fürs Zweite, dass Picco als Bayer dergleichen gewöhnt sein könnte. Die Frage aber ist, wie eigenverantwortlich so ein Hund ist und handelt.

Dazu ein Beispiel: Wenn besagter Rocco sich in den Kopf gesetzt hat, jetzt partout Stöckchen durch die Gumpen des Hainbachs zu jagen, dann weiß er sehr wohl, was er zu tun hat. Er wartet dann nicht auf Anordnungen seiner Begleiter, die ja, so will es das Verhältnis Mensch zu Tier, eigentlich Befehlsgewalt über ihn haben. Er handelt dann sehr bewusst, sehr klar, eigenverantwortlich und ist weder zu bremsen noch zu stoppen. Und weil das so ist und wir in einem demokratischen Land leben, sollte auch für Picco die Freiheit der Rede, also des Gebells gelten. Meinungsfreiheit.

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