zum Hauptinhalt

Panorama: „Verzweifelt über den Zustand der Welt“

Nach fünf Selbstverbrennungen appelliert Václav Klaus an Vernunft

Der tschechische Staatspräsident Václav Klaus hat an die Jugend des Landes appelliert, ihrem Leben nicht durch Selbstverbrennungen ein Ende zu setzen. Anlass für den dramatischen offenen Brief waren fünf Fälle dieser Art innerhalb von fünf Wochen.

Zuletzt hatten sich in der Nacht zum 1. April gleich zwei Tschechen unabhängig voneinander mit Benzin übergossen und angezündet: ein 21-jähriger Student in Pilsen, der im Abschiedsbrief „Verzweiflung über den Zustand der Welt“ als Motiv angab, sowie ein 32-jähriger Mann in einer Prager Plattenbausiedlung, der offenbar keinen Abschiedsbrief hinterließ. Der Pilsener Student starb noch in der Nacht, für den verletzten Prager haben die Ärzte kaum Hoffnung.

Die unheimliche Serie begann am 6. März, als sich der 19-jährige südböhmische Student Zdenek Adamec verbrannte. Er tat dies auf dem Prager Wenzelsplatz, unmittelbar neben der Gedenkstätte für die beiden Studenten Jan Palach und Jan Zajic, die dort im Januar 1969 auf die gleiche spektakuläre Weise gegen den gewaltsamen Einmarsch der Ostblock-Truppen protestiert hatten. Vor allem Palach ist mit seiner Verzweiflungstat zu einer Art stillem Nationalhelden geworden; Selbstverbrennungen treffen seither einen besonders empfindlichen Nerv der tschechischen Gesellschaft.

In seinem Abschiedsbrief ließ auch Adamec Verzweiflung über die Gewalt in der Welt, über die unterdrückende Macht von Zentralregierungen und ähnliche Motive erkennen; er bezeichnete sich als „Opfer des Terrorismus". Später wurde bekannt, dass die Polizei ihn verfolgte. Er hatte im Internet verbreitet, wie man Kurzschlüsse in Starkstromleitungen erzeugen und damit ganze Orte lahm legen konnte. Solche Aktionen hat es in Tschechien bereits mehrfach gegeben. Nun beschuldigt Adamecs Vater die Polizei, seinen Sohn bedrängt und in den Tod getrieben zu haben.

In seinem Appell schreibt Staatspräsident Klaus, Tschechien sei eine Demokratie; niemand müsse sich verbrennen, um seine Meinungen zum Ausdruck zu bringen. Er räumt ein, angesichts komplexer Weltprobleme und eines womöglich schmerzlichen Lebens könnten sich Einzelne zu schwach fühlen. Klaus ortet in den Taten „auch so etwas wie eine jugendliche Revolte. Ich verstehe, dass ein gewisser Radikalismus zur Jugend gehört, aber diese Ausdrucksform halte ich einfach für unglücklich, unpassend und nutzlos. Reden wir mehr miteinander, achten wir mehr auf die anderen neben uns und ihre Probleme.“

Zur Startseite