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Eine Kohlmeise (Parus major) fliegt aus einer Maueröffnung in Petersdorf (Brandenburg).

© Patrick Pleul/dpa

Vögel füttern am Balkon: Wenn das Körnerpicken den Hausfrieden stört

Tierliebe: Wenn Mieter vom Balkon und Fensterbrett aus Vögel füttern, kann das Nachbarn und Vermieter auf die Probe stellen.

Ein gewöhnlicher Spätsommermorgen in einem Mehrfamilienhaus im Berliner Wedding: Im Hinterhof ist es ruhig, draußen singen schon die Vögel, als die ersten Mieter aufstehen. Doch seit einem halben Jahr ist etwas anders: Viele Bewohner werden neuerdings täglich durch ein pickendes Geräusch geweckt. Vom Fensterbrett zweier Nachbarn im Dachgeschoss regnet es Haferflocken, Sonnenblumenkerne und andere Körner. Das geht nun schon den ganzen Frühling und Sommer so. Amsel, Drossel, Fink und Star und dazu eine ganze Taubenschar versammeln sich jeden Morgen an den Fenstern und Balkonen der Dachgeschossmieter und picken um die Wette.

Das Frühstücksbuffet ist eröffnet: Es gibt alles, was das Vogelherz begehrt – und die Reste für die Hausbewohner in den Etagen darunter. Denn was herunterfällt, landet in den anderen Wohnungen, inklusive der Ausscheidungen der Vögel. Vogelfreunde können sich in ihrer Nachbarschaft schnell unbeliebt machen. Fensterputzen wird zur täglichen Pflicht – oder die Nachbarn lassen es ganz, weil das Glas am nächsten Tag sowieso wieder mit Vogelkot bedeckt ist. Dass man dem Federvieh vom heimischen Garten aus im Winter die Nahrungssuche erleichtert, ist eine Sache. Aber ist es hilfreich, ganzjährig in der Großstadt zu füttern und ist es vor allem vom Balkon oder Fensterbrett eines Mietshauses erlaubt? Und was können Mieter gegen die unangenehmen Begleiterscheinungen der Vogelfütterei unternehmen?

Bußgelder für unerlaubtes Füttern

Ein Gesetz, welches das Zufüttern verbietet, gibt es in Deutschland nicht. In einigen Städten wie beispielsweise Hamburg oder Stuttgart drohen jedoch durchaus Bußgelder bis zu 5000 Euro für die wiederholte Taubenfütterung. In Berlin gilt grundsätzlich kein Fütterungsverbot, allerdings stellt das Füttern dann eine Ordnungswidrigkeit dar, wenn es als Verschmutzung des öffentlichen Raumes gesehen wird.

Tauben am U-Bahnhof Hallesches Ufer in Berlin-Kreuzberg.
Tauben am U-Bahnhof Hallesches Ufer in Berlin-Kreuzberg.

© Kitty Kleist-Heinrich

„Das Füttern von Vögeln ist in Berlin überall dort erlaubt, wo es nicht ausdrücklich verboten ist“, sagt Diana Plange, Tierschutzbeauftrage des Landes Berlin. „Das wäre gegebenenfalls zukünftig dort der Fall, wo es in der Umgebung von betreuten Taubenschlägen zu Fütterungsverboten kommen muss, um die Tiere durch Futter an die Schläge zu binden.“ Zudem macht es einen Unterschied, ob wilde Tauben oder Stadttauben gefüttert werden, wie Leonie Weltgen, Fachreferentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund, mitteilt: „Die Fütterung von Stadttauben ist in der Regel verboten und das Ordnungsamt kann hohe Geldbußen (bis zu 1000 Euro) verlangen. Deshalb sollte verhindert werden, dass Stadttauben an das Futter der Singvögel gelangen. Dies ist zum Beispiel durch spezielle Futtersilos möglich.“

Artgerechtes Futter und kontrollierte Futterplätze

Grundsätzlich spricht laut Tierschutzbund auch nichts gegen eine ganzjährige Fütterung von Vögeln, vorausgesetzt, es geschieht mit artgerechtem Futter. „Aus Tierschutzsicht ist ein Fütterungsverbot kein akzeptabler Weg, um mit dem Konflikt zwischen Mensch und Tier umzugehen.“ Wenn die Dachgeschossmieter mit freundlicher Absicht und tatsächlich artgerechtem Futter den Vögeln die Futtersuche erleichtern, ist laut Leonie Weltgen ihre Motivation grundsätzlich zu begrüßen. „Gerade dadurch, dass sich viele andere Mieter durch die Vögel belästigt fühlen, sehen wir aber die Gefahr, dass hier der Konflikt zwischen Mensch und Tier weiter geschürt wird. Der Deutsche Tierschutzbund plädiert aus diesen Gründen für die Einrichtung beaufsichtigter Taubenschläge und kontrollierter Fütterungsplätze für Stadttauben.“

Auf der Suche nach Futter klammert sich eine Blaumeise an einem Meisenknödel fest.
Auf der Suche nach Futter klammert sich eine Blaumeise an einem Meisenknödel fest.

© Boris Roessler/dpa

Vermieter darf Taubenfütterung verbieten

Auch Vermieter sehen es nicht gern, wenn ihre Objekte verschmutzt werden. Sie dürfen ihren Mietern zwar grundsätzlich nicht die Fütterung von Singvögeln untersagen, können aber durchaus eine Klausel im Mietvertrag aufsetzen, mit der es den Mietern verboten ist, auf Balkon oder Fenstersims Tauben zu füttern. Wenn dann die Mieter nicht nur ein Vogelhäuschen für Spatzen und kleinere Singvögel anbringen, sondern offene Futterstellen auslegen oder täglich einen neuen Meisenknödel am Fenster aufhängen, werden eben auch größere Vögel wie Tauben angelockt, die als erhöhtes Gesundheitsrisiko für Menschen gelten. Problematisch wird es vor allem, wenn Futterreste auf den Boden Fallen und diese Ratten anlocken. Spätestens dann dürfte der letzte Tierfreund die Geduld verlieren.

Marko Rosteck, Sprecher des Immobilienunternehmens Deutsche Wohnen, sagt ganz klar: „Futterstellen oder ähnliches an Balkonen und Fenstern genehmigen und dulden wir nicht. Dies führt nicht nur zu Verunreinigungen, sondern kann auch gesundheitsgefährdend sein, wenn zum Beispiel Ratten davon angezogen werden. Sollten Mieter dies bei Nachbarn wahrnehmen, sind wir für Hinweise dankbar, um entsprechend handeln zu können.“

Hygienisches Problem für Vögel

Auch Katrin Koch vom Naturschutzbund Nabu weist darauf hin, dass die private Vogelfütterung „in Wohnanlagen zum Problem werden kann“. Selbst wenn die private Fütterung aus guten Absichten heraus erfolgt, ist das Hauptproblem damit nicht gelöst: die Erhaltung von Lebensräumen für die Wildtiere. „Im Mietshaus rettet man keine Arten, wenn nicht die Höfe nach ökologischen Gesichtspunkten gestaltet und gepflegt werden. Der Niedergang von Insekten und Vögeln ist damit nicht aufzuhalten.“

Nach Ansicht von Katrin Koch kommen vor allem drei Dinge zusammen: erstens, das hygienische Problem für die Vögel, wenn die Futterplätze nicht in geeigneter Form angeboten werden. Zweitens, die mögliche Belästigung anderer Mieter, und nicht zuletzt die Verlockung des Futters für andere Tiere, die nicht gern gesehen werden – Waschbären, Füchse, Ratten. Vogelfreunde sollten sich also frühzeitig über die privaten und mietrechtlichen Probleme, die ihnen ins Haus stehen könnten, Gedanken machen, bevor sie ihre Körner auslegen.

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