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Panorama: Von Katastrophentouristen überschwemmt

München (AP).Die Einsatzkräfte in den bayerischen Hochwassergebieten haben nicht nur mit den Überschwemmungen, sondern auch mit Schaulustigen zu kämpfen.

München (AP).Die Einsatzkräfte in den bayerischen Hochwassergebieten haben nicht nur mit den Überschwemmungen, sondern auch mit Schaulustigen zu kämpfen.In Neu-Ulm fuhren Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht durch die Stadt, um sich in der Menge von Rollerskatern, Radfahrern und Spaziergängern entlang der Donau eine freie Gasse zu verschaffen.Polizeichef Wieland Pokorny schimpfte: "Ein Wahnsinn, dieser Katastrophentourismus! Von überall her sind sie gekommen."

In Ingolstadt fürchteten die Helfer nicht nur wegen des Wassers, sondern auch wegen der vielen Schaulustigen auf den Dämmen um deren Haltbarkeit.Ein Feuerwehrmann klagte: "Unsere Leute tragen Schwimmwesten, und die Leute gehen mit Kinderwagen hoch."

An der Ammer kamen die Lastwagen des Technischen Hilfswerks zeitweise nur mit Mühe durch, weil geparkte Autos die Zufahrt zu den Dämmen versperrten."Die Leute denken: Es ist schönes Wetter, und da wollen sie mal schauen", sagte Polizeisprecher Herbert Kraus in Weilheim.Polizeistreifen seien unterwegs, um die Schaulustigen von den Dämmen zu verweisen.Der bayerische Innenminister Günther Beckstein wies darauf hin, daß gegen Gaffer Bußgelder bis zu 10 000 Mark verhängt werden können.

Auf der Isar bei Bad Tölz verbot die Polizei inzwischen ausdrücklich das Befahren des Flusses mit Booten - die schnelle Strömung ist für Kajakfahrer offensichtliche eine besondere Herausforderung."Das Verbot wird aber nicht eingehalten", sagte Kraus.Am Sonntag nachmittag mußte die Polizei wieder die Besatzung eines gekenterten Schlauchboots retten.

Das Jahrhunderthochwasser in Südbayern hat über Pfingsten mindestens zwei Menschen das Leben gekostet und Schäden in dreistelliger Millionenhöhe verursacht.Immer dramatischer wurde die Lage an der Donau, wo am Montag an mehreren Stellen die Dämme brachen.Zwischen Neuburg und Kelheim wurden Orte überflutet.In sieben Landkreisen galt weiter Katastrophenalarm, mehr als 10 000 Helfer waren rund um die Uhr im Einsatz.In den bereits am Sonnabend und Sonntag vom Hochwasser heimgesuchten Gebieten am Alpenrand und in Schwaben begannen unterdessen die Aufräumarbeiten.

Ursache des Hochwassers war ein Rekordregen mit bis 200 Litern pro Quadratmeter in 48 Stunden, wie das Münchner Landesamt für Wasserwirtschaft erklärte.

Das Donauhochwasser nahm am Montag zwischen Donauwörth und Regensburg extreme Ausmaße an.In Neuburg drang das Wasser durch die Kanalisation in den Ort ein und überflutete die Altstadt.Bei Vohburg und Neustadt brachen die Dämme an mehreren Stellen und überschwemmten zwei Orte mit 1500 Einwohnern.In Ingolstadt schoß die Donau mit 2100 Kubikmetern Wasser pro Sekunde zwischen den völlig durchweichten Dämmen hindurch - ein solcher Abfluß wurde zuletzt 1852 gemessen.

Unzählige Feuerwehrleute, Helfer von Rettungsdiensten und Soldaten verstärkten die Dämme mit Zehntausenden Sandsäcken und reparierten offene Stellen.Schaulustige behinderten die Einsatzkräfte jedoch, wie die Polizei allerorten beklagte.

In Regensburg bereiteten sich die Behörden auf den Höchststand der Donau vor.Erst am Dienstag soll die Hochwasserwelle Passau erreichen.Weil der Inn aber sinkt, rechnet die Dreiflüssestadt aber nicht mehr mit einer kritischen Situation.

In Immenstadt und Neu-Ulm wurden an Pfingsten 300 Menschen aus zwei Krankenhäusern und einem Gefängnis evakuiert.In diesen Städten sowie in Eschenlohe an der Loisach wurden ferner rund 400 Menschen mit Booten gerettet, die in ihren Häusern vom Wasser eingeschlossen waren.In Immenstadt, Neu-Ulm, Sonthofen, Oberstdorf und anderen Orten waren überschwemmte Wohngebiete stundenlang ohne Strom und Telefon.Vielerorts war das Trinkwasser verschmutzt; die Behörden riefen dazu auf, es abzukochen oder Mineralwasser zu trinken.Wo sich die Fluten zurückzogen, blieben verschlammte Wohnungen zurück.

Der Bodensee erreichte am Montag seinen höchsten Stand seit 1898 mit einem Pegel von 5,65 Metern in Konstanz.Wie die Feuerwehr mitteilte, liefen viele Keller voll.Das Hochwasserlagezentrum Mainz berichtete aber, daß die Pegel am Oberrhein bereits sinken.

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