zum Hauptinhalt
Major Maultier. Die Bundeswehr trainiert im Bad Reichenhaller „Einsatz- und Ausbildungszentrum für Tragtierwesen“ Pferde und Maultiere für den Einsatz.

© picture-alliance/ dpa

Von Maultier bis Minen-Biene: Wie Tiere im Militär eingesetzt werden

Ein Weißwal im Dienst der russischen Marine? Das wäre kein Einzelfall. Die Geschichte von Tieren beim Militär ist so lang, wie die des Krieges selbst – auch bei der Bundeswehr.

Fischer fanden ihn vor ein paar Tagen vor der Küste Norwegens. Oder besser gesagt: Der Beluga fand sie. Der Weißwal, der einen Gurt samt Kamerahalterung trug, steuerte direkt auf sie zu. Schnell gab es Spekulationen, der Wal sei vom russischen Militär trainiert – womöglich ein Spion oder Schlimmeres.

Ein schlechter Scherz? Absurde Verschwörungstheorien? Nicht unbedingt. „Es ist bekannt, dass einige Nationen Meeressäuger im Militär einsetzen“, sagt Helena Herr. Die 41-Jährige arbeitet am Zentrum für Naturkunde der Universität Hamburg und ist auf Wale spezialisiert. Die Gründe liegen für sie auf der Hand. „Sie sind sehr gut befähigt, Dinge zu lernen.“ Mit Delfinen und Seelöwen könnten selbst hochkomplexe Maschinen in vielerlei Hinsicht nicht mithalten. So verwendeten etwa Delfine hochfrequente Laute, um ihre Beute im Wasser ausfindig zu machen. „Die Natur hat diese Ortung unter Wasser bei Delfinen perfektioniert.“ Das könne man sich im Militär zunutze machen.

Tiere werden seit jeher im Kampf eingesetzt. Sie dienen bei der Logistik, zur Aufklärung und zur Abwehr. Kathargos Heerführer Hannibal überquerte 218 v. Chr. im zweiten Punischen Krieg auf Elefanten die Alpen. Im Mittelalter warf man Bienenkörbe von der Stadtmauer, wenn eine Belagerung drohte. Pferde und Kamele führten Reiter über Jahrhunderte in die Schlacht. Hunde dienten als Melder und Wachposten, zur Suche von Menschen und Sprengstoffen. Tauben flogen mit Post zwischen den Frontlinien. Die USA experimentierten im Zweiten Weltkrieg sogar zum Einsatz sogenannter „bat bombs“: Fledermäuse sollten mit Sprengstoff behängt und in den Städten des Feinds gezündet werden. Ähnliche Überlegungen gab es auch schon mit „Minen-Bienen“, aber die schwirrten nur unkoordiniert durcheinander.

Russland und die USA verfügten über umfangreiche Delfin-Programme

Und dann eben die Meerestiere. „Das U.S. Navy Marine Mammal Program gibt es schon seit 1959“, sagt Wal-Expertin Helena Herr. Russland und die USA verfügten zu Zeiten des Kalten Krieges über umfangreiche Delfin-Programme. Die Tiere wurden vor allem zur Aufklärung eingesetzt. Sie patrouillierten in Häfen und bei Schiffen, begleiteten Taucher und halfen bei der Bergung von Gegenständen. Im Vietnam-Krieg sollen sogar „Torpedo-Delfine“ als lebende Lenkwaffen eingesetzt worden sein.

Damals war das Programm Verschlusssache. Heute ist es in Auszügen öffentlich. In San Diego trainieren die USA vor allem Große Tümmler und Seelöwen. Auch Kegelrobben, Schwert-, Schweins- und Grindwale, selbst Haie sollen schon im Programm gewesen sein. Während des Irakkriegs 2003 suchten Delfine im trüben Wasser vor der Hafenstadt Umm Qasr nach Minen. Die Sprengfallen seien für die Tiere keine Gefahr, weil sie nicht damit in Berührung kommen, hieß es. Sie platzierten einfach eine Boje über der Fundstelle. Die Bergung und Entschärfung übernähmen dann Taucher.

Leutnant zur See. Der Beluga soll dem russischen Militär gehört haben.
Leutnant zur See. Der Beluga soll dem russischen Militär gehört haben.

© Jorgen Ree Wiig

Mit ihrem „Bio-Sonar“ sind Delfine zum Aufspüren von Gegenständen und Gegnern im Wasser unschätzbar wertvoll. Insofern kann Helena Herr die Argumente für den Einsatz nachvollziehen. Sie heißt ihn aber nicht gut. „Es gibt auch Wildfänge, nicht nur Züchtungen. Meerestiere sind nicht domestiziert, wie etwa Hunde. Sie zu verknechten, ist nicht in Ordnung“, sagt sie. Dass die Tiere nach ihrem Einsatz noch freigelassen, zurück in die Natur überführt werden können, hält Helena Herr für eher unwahrscheinlich. „Es kommt darauf an, ob ihre Fähigkeit, Beute zu fangen, erhalten wurde. Wenn sie den Fisch immer nur tot ins Maul gestopft haben, werden sie im Meer nicht überleben“, sagt Helena Herr. Das spricht aus ihrer Sicht auch dafür, dass der Beluga vor Norwegen aus einem Trainingsprogramm stammt. „Er schwamm ja zu den Booten, ließ sich streicheln und wollte Futter. Das spricht für eine Abhängigkeit.“

Bei Wildtieren, die unter Menschen leben, sei das Sozialverhalten zu Artgenossen oft nur begrenzt ausgeprägt. Eigentlich lebten Delfine in großen Verbänden. In Gefangenschaft seien sie dagegen höchstens in kleinen Gruppen auf engem Raum eingesperrt. „Das erzeugt zusätzlich Stress und tut den Tieren nicht gut“, sagt Helena Herr.

In Deutschland setzt man auf Maultiere, Pferde und Hunde

Die Bundeswehr setzt keine Meeressäuger ein. „In Deutschland gab und gibt es keine derartigen Überlegungen“, sagt Nils Köbernick, Hauptbootsmann bei der deutschen Marine. Lediglich für die Wissenschaft hätte es Kooperationen gegeben, etwa mit der Tierärztlichen Hochschule Hannover, um das Hörvermögen von Schweinswalen zu untersuchen. Aber nicht im Kampf. Geht es um Tierschutz? Auch Zweifel an der Zweckmäßigkeit spielen eine Rolle. Dass ein Beluga oder Seelöwe mit Kamera „wirklich einen beabsichtigten Kurs aufzeichnet und dies zielführend ist, darüber kann nur spekuliert werden“, sagt Nils Köbernick.

Andere Tiere kommen aber auch bei der Bundeswehr zum Einsatz. Maultiere und Haflinger bilden bei den Gebirgsjägern eine eigene Einheit. Sie dienen als Transport- oder Reittiere in unwegsamen Gelände. In der Vergangenheit waren sie zum Beispiel im Kosovo, in den Gebirgen und Reisfeldern der Provinz Kundus und in Spanien Teil der Truppe. Hunde wiederum werden zum Aufspüren von Sprengstoff, Rauschgift oder Minen verwendet. Einige begleiten auch die Traumatherapie von Soldatinnen und Soldaten, die im Einsatz erkrankt sind. Derzeit sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums sechs Diensthunde bei Missionen in Mali und Afghanistan im Einsatz.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false