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Ein Demonstrant im Federschmuck der Ureinwohner Brasiliens steht vor dem neuen Stadion, dessen Baukosten sich immens gesteigert haben.

© Reuters

Vor der Fußball-WM: WM-Pokal vor wütenden Brasilianern in Sicherheit gebracht

Zwei Wochen vor Beginn der Fußball-WM lassen Brasilianer ihrem Zorn freien Lauf: Sie werfen der Regierung vor, Schulen und Krankenhäuser verfallen zu lassen, während enorm viel Geld für das Großereignis fließt.

Bei Protesten von etwa 2500 Gegnern der Fußball-WM in Brasilien ist es in Brasília zu Tumulten gekommen. Die Polizei war mit massiven Einsatzkräften in der Hauptstadt vor Ort und setzte Tränengasgranaten ein, nachdem es zu Steinwürfen auf die Sicherheitskräfte gekommen war. An einem Protestmarsch auf das umstrittene neue Stadion beteiligten sich auch rund 300 Indios, die mehr Rechtssicherheit für Landflächen und Reservate forderten.

Wegen der Demonstration wurde die Ausstellung des WM-Pokals, der zur Zeit in Brasília ist, aus Sicherheitsgründen abgebrochen. Die Demonstration war in der Nähe von Brasílias WM-Stadion Mané Garrincha. Die Indios hatten bereits zuvor vor dem Kongress demonstriert und sich später teilweise dem Protestzug der WM-Kritiker angeschlossen. Die Polizei war auch mit berittenen Einheiten im Einsatz. Eine zentrale Straße wurde stundenlang blockiert. Es kam zu langen Staus.

Korruption und Mängel an Schulen und Krankenhäusern

Die Wut richtete sich unter anderem gegen die immensen Ausgaben für die Fußball-WM, sowie Korruption und Mängel bei Schulen, Krankenhäusern und soziale Einrichtungen. Der Stadionneubau in Brasilia ist besonders in die Kritik geraten. Das gesamte Projekt kostet mit umgerechnet etwa 620 Millionen Euro fast drei Mal so viel wie ursprünglich veranschlagt. Immer wieder gab es in den vergangenen Wochen und Monaten teils gewalttätige Proteste. Die Demonstranten werfen der Regierung vor, viel Geld in Prestigeprojekte zu stecken und wichtige andere Aufgaben zu vernachlässigen.

Die WM wird am 12. Juni in São Paulo eröffnet. In Brasília werden vier Gruppenspiele, ein Achtel- und ein Viertelfinale sowie das Spiel um Platz drei ausgetragen.

"Größte Sicherheitsaktion in der Geschichte Rios"

An der Strandpromenade der Copacabana hat die Polizei bereits jetzt ihre Streifen verstärkt. Zu zweit, dritt oder zu viert gehen die Beamten Streife oder stellen sich an zentralen Punkten gut sichtbar auf. Die Botschaft ist klar: „Die Mission sichere WM hat begonnen.“ Der Gastgeber fährt für das Turnier vom 12. Juni bis 13. Juli in allen zwölf Spielorten an Land, zu Wasser und in der Luft ein massives Aufgebot an Soldaten und Polizisten auf.

Ureinwohner hatten Pfeil und Bogen zu dem Protestmarsch in Brasilia mitgebracht.
Ureinwohner hatten Pfeil und Bogen zu dem Protestmarsch in Brasilia mitgebracht.

© dpa

Die Gesamtaktion kostet die Regierung satte 1,9 Milliarden Reais (628 Mio. Euro). 57 000 Soldaten sowie 100 000 Polizisten von Bund, Ländern und Kommunen und andere staatliche Sicherheitskräfte sind im Einsatz. Die Armee bietet schweres Material auf: Fregatten, Korvetten, Patrouillenboote, Radarflugzeuge und Helikopter. Die Polizei hält Spezialeinheiten bereit. Die „Weltmeisterschaft aller Weltmeisterschaften“ soll es werden, wiederholt Präsidentin Dilma Rousseff wie ein Mantra. Sie versprach WM-Teams, Delegationen und Fans, dass Brasilien auf „totale Sicherheit“ vorbereitet sei.

Allein in Rio, wo am 13. Juli das WM-Finale ausgetragen wird, sind 20 000 Sicherheitskräfte im Einsatz. „Das wird die größte Sicherheitsoperation in der Geschichte Rios“, sagte der regionale Vize-Minister für die Sicherheit von Großereignissen, Roberto Alzir.

Zum WM-Eröffnungsspiel und dem Finale wird der Luftraum um das Maracanã-Stadion in einem Radius von rund sieben Kilometern drei Stunden vor Anpfiff und vier Stunden nach Spielende gesperrt. Für den internationalen Flughafen gibt es keine Auflagen, am Stadtflughafen sind für die Zeit nur Starts erlaubt. Die Polizei hält die Gefahr eines Terror-Anschlags für eher gering.

„In Brasilien sind terroristische Akten sehr, sehr selten, praktisch vernachlässigenswert, aber wir haben nicht das Recht, auch nur eine Minute unvorbereitet zu sein. Deshalb war die Vorbereitung intensiv“, erzählt der Sprecher des in São Paulo eigens für die WM geschaffenen Polizeikommandos „CPCopa“, Sérgio Marques. Eher fürchten die Behörden Proteste, vor allem Ausschreitungen von Randalierern. Justizminister José Eduardo Cardozo glaubt und hofft, dass sich die Massenproteste und Randale wie beim Confed-Cup so nicht wiederholen. Aber selbst wenn: Brasilien sei „komplett vorbereitet“, versichert er.

600.000 WM-Touristen werden erwartet

Die rund 600 000 WM-Touristen, die allein aus dem Ausland erwartet werden, sollten sich aber bewusst machen, dass sie in ein Land kommen, das eine hohe Kriminalitätsrate aufweist. Diebstähle, Überfälle und Gewaltverbrechen sind an der Tagesordnung. Mit über 56 000 Morden (2012) und einer Rate von 29 Morden pro 100 000 Einwohner weist Brasilien einer der höchste Raten weltweit auf, wie aus der jüngsten Version der Studie „Mapa da Violencia“ hervorgeht.

Die Gründe für die Kriminalität sind vielschichtig. Die organisierte Drogenkriminalität ist eine Ursache. Für Spannungen sorgt aber auch das starke Gefälle zwischen Arm und Reich, das vor allem in der Stadt am Zuckerhut auffällt, wo Armensiedlungen (Favelas) manchmal in direkter Nachbarschaft zu reichen Glitzervierteln wie Ipanema oder Copacabana liegen. Die Polizei installierte im Vorgriff auf die WM und die Olympischen Spiele 2016 in Rio seit 2008 rund 40 feste Polizeiwachen in den Favelas, um Präsenz zu zeigen und vor allem das offene Tragen von Waffen zu verhindern.

Doch ausgerechnet die Polizei gerät durch Skandale bei der Bevölkerung immer wieder in Missgunst. Im vergangenen Jahr sorgte der Fall des von Polizisten zu Tode gefolterten Hilfsarbeiters Amarildo aus der Favela Rocinha für Wut und Proteste. Und erst kürzlich wurde die Nation von brutalen Videoaufnahmen geschockt, die zeigten, wie eine schwer verletzte Frau aus einem fahrenden Polizeiauto aus dem Kofferraum hing und über die Straße geschleppt wurde. Solche Fälle zeigen die Schattenseiten des WM-Gastgeberlandes. (AFP/dpa/Reuters)

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