zum Hauptinhalt
Anwohner begutachten ausgebrannte Fahrzeuge im Ort Damour südlich von Beirut. Ein Waldbrand war durch den Ort gezogen.

© Mohamed Azakir/REUTERS

Flammen um Beirut: Im Libanon wüten die schlimmsten Waldbrände seit Jahrzehnten

Die Feuer haben sich rund um die Hauptstadt Beirut massiv ausgebreitet. Die Regierung in Beirut fordert internationale Hilfe und steht selbst in der Kritik.

Joseph Elias El Khally hat die ganze Nacht gegen die Flammen gekämpft. Der 49-Jährige wohnt mit seiner Familie in der Kleinstadt Zekrit, 20 Minuten von der libanesischen Hauptstadt Beirut entfernt. „Das Feuer griff innerhalb von nur einer Stunde von den Bergen auf die ersten Gebäude der Stadt über. Alle Nachbarn waren die komplette Nacht wach, um die Flammen von ihren Häusern fernzuhalten. Feuerwehr und Rettungskräfte waren kaum zu sehen”, sagt El Khally.

Die Brände hatten sich in der Nacht von Montag auf Dienstag in der Region „Mount Lebanon“ rund um die libanesische Hauptstadt Beirut massiv ausgebreitet. Besonders betroffen sind die Orte Chouf, Aley und Metn. Auch aus dem angrenzenden, westlichen Syrien werden schwere Feuer gemeldet.

Die Region erlebt zurzeit eine für Mitte Oktober ungewöhnlich intensive Hitzewelle. So wurden am Montag in Beirut 39 Grad Celsius gemessen. Die Hitze und starker Wind sorgen dafür, dass sich die Feuer mittlerweile auf mehr als 100 verschiedene Brandherde ausbreiten konnten. Gleichzeitig vermuten die Behörden an vielen Stellen Brandstiftung. Auf dramatischen Videos des libanesischen Nachrichtensenders MTV ist zu sehen, wie Einwohner des Ortes Chouf auf der Flucht von den Flammen vor feuerrot gefärbtem Himmel aus ihren Häusern fliehen.

Lokale Medien sprechen bisher von mindestens einem Todesopfer infolge der Brände, mehrere Personen wurden teilweise schwer verletzt.

Unter #prayforlebanon veröffentlichen auf Twitter Fotos, Filme und vor allem Hilferufe zu den aktuellen Bränden im Libanon.
Unter #prayforlebanon veröffentlichen auf Twitter Fotos, Filme und vor allem Hilferufe zu den aktuellen Bränden im Libanon.

©  Twitter

Die libanesische Regierung sieht sich immenser Kritik ausgesetzt. Betroffene beklagen, dass sie viel zu spät oder überhaupt nicht von den Behörden gewarnt wurden. Auf Sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook wird das Krisenmanagement der Regierung angeprangert. Während in Zekrit die Katastrophe durch den nächtlichen Einsatz der Einwohner vorerst abgewendet werden konnte, griffen in anderen Dörfern die Brandherde auf die Ortskerne über. Fernsehbilder zeigen völlig zerstörte Häuser, Autos und Straßen. Und die Gefahr ist noch lange nicht gebannt. Lokale Quellen sprechen von zahlreichen Menschen, die durch die Flammen in ihren Häusern eingeschlossen seien. Im südlich von Beirut gelegenen Chouf ist der größte noch bestehende Zedernwald des Landes von der Feuerwalze bedroht, auch die Rafik Hariri Universität bei Damour liegt in unmittelbarer Nähe noch nicht gelöschter Brandherde.

Umweltminister Fadi Jreissati erklärte gegenüber Journalisten in Chouf, dass er davon ausgehe, dass die Brandgefahr in den nächsten Tagen uneingeschränkt hoch bleibe. Ein Ende der Hitzeperiode in Kombination mit den starken Winden sei bis Donnerstag nicht absehbar, so Jreissati.

Der Libanon bietet die EU um Hilfe

Die libanesische Feuerwehr befindet sich in einem sehr schlechten technischen Zustand. Das Land verfügt trotz seiner geographischen Lage im östlichen Mittelmeer und immer wieder auftretenden, schweren Waldbränden über kein einziges einsatzbereites Löschflugzeug. Darüber hinaus befinden sich drei, 2009 eigens angeschaffte, auf die Brandbekämpfung spezialisierte Helikopter seit fünf Jahren in Reparatur. Das zuständige Ministerium hat es bis heute versäumt, sich um benötigte Ersatzteile zu kümmern. So sind bislang lediglich einige Armee-Helikopter sowie zwei zypriotische Löschflugzeuge im Einsatz, um mit aus dem Mittelmeer aufgenommenen Wasser die großflächigen Brände in den betroffenen Gebieten einzudämmen.

Der libanesische Premierminister Saad Hariri kündigte nach einem Krisentreffen im Beiruter Regierungssitz an, dass der Libanon mit einem Hilfegesuch bei der Europäische Union um Unterstützung bei der Brandbekämpfung gebeten habe. So wurden noch am Dienstag Löschflugzeuge aus Griechenland und Italien erwartet.

Die Brände haben neben der zivilen Katastrophe auch eine politische Dimension. Libanons südlicher Nachbar Israel – selbst oft von massiven Bränden bedroht – verfügt zwar ebenfalls über keinerlei Löschflugzeuge, jedoch über eine erfahrene und hochgerüstete Feuerwehr, die theoretisch in wenigen Stunden einsatzbereit wäre. Aufgrund des seit Jahrzehnten schwellenden, kriegerischen Konfliktes zwischen Israel und der libanesischen Terrormiliz Hisbollah scheint ein Hilfegesuch der libanesischen Regierung an Israel aber mehr als unwahrscheinlich.

So schreibt der Botschafter Israels in Panama, Reda Mansour auf Twitter: „Ich bin mir sicher, dass Israel Hilfe senden würde, wenn der Libanon danach fragt. Aber im Nahen Osten wird lieber der Tod von Menschen in Kauf genommen.“

Fraglich bleibt ob in einer ähnlichen Situation, Israel den Libanon um Unterstützung bitten würde. Bei den schweren Bränden 2016 im Norden Israels rund um die Metropole Haifa ist das zumindest nicht geschehen.

Julius Geiler

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false