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Weltfrauentag: Jeder Tag - ein Tag der Angst

In Norwegen erobern Frauen die Aufsichtsräte, anderswo leiden sie unter Gewalt und Demütigungen - auch am Weltfrauentag.

Sechs Monate lang kämpfte Nawal el Samarrai in ihrem Ministerium, Anfang Februar trat sie zurück. „Keine Mittel, keine Macht, keine Verbindungen in die Provinz“, so lautete die ernüchternde Bilanz der irakischen Frauenministerin. Die Lage der Frauen in ihrem Land, sagt Samarrai, sei sechs Jahre nach dem Einmarsch der US-Truppen besorgniserregend. Gewalt in der Ehe und sexuelle Belästigung nähmen sogar zu. Ähnliches gilt für Afghanistan. Dass Zwangsehen gesetzlich verboten sind, ändert nichts daran, dass sie in ländlichen Regionen noch immer vollzogen werden. Verheiratet werden nicht selten sogar Kinder. Auch in vielen Ländern Afrikas sind Frauen formal gleichberechtigt und erleiden dennoch weiter Gewalt und Demütigungen. In den Kriegsgebieten des Kontinents etwa werden brutale Vergewaltigungen gezielt eingesetzt, um den Gegner zu demoralisieren, in anderen Regionen gilt die Genitalverstümmelung von Mädchen nach wie vor als ehrbare Tradition.

Tausende Kilometer entfernt, in Island, nehmen heute 90 Prozent der Männer, ob Fischer oder Bankchef, bezahlten Elternurlaub von mindestens drei Monaten. Und im benachbarten Norwegen sind seit Juni 2008 tatsächlich 40 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder in Aktiengesellschaften Frauen, wie vom eigens erlassenen Quotengesetz verlangt. Wird dies nicht beachtet, droht Strafe.

Gewalt gegen Frauen noch immer großes Problem

Es sind Extreme, Lebenssituationen von Frauen wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Afghanistan, der Irak oder Afrika auf der einen, die Länder Skandinaviens auf der anderen Seite. Dazwischen liegen Länder wie Deutschland, wo Frauen laut einer Studie des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung (WZB) in einigen Berufen noch immer bis zu vierzig Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen.

Im Jahr 2000 erklärten die Vereinten Nationen „Gleichstellung und Empowerment der Frauen“ zu einem ihrer sogenannten Milleniumsziele. Der Weltfrauentag am 8. März soll ebenfalls auf die besonderen Probleme von Frauen aufmerksam machen. „Die ungeheure Gewalt gegen Frauen, sei sie häuslich, sexualisiert oder in Form von Genitalverstümmelung, ist noch immer eines der größten Probleme“, sagt Karin Nordmeyer, Präsidentin von Unifem Deutschland, dem UN-Entwicklungsfonds für die Frau. Doch nur wer seine Rechte kenne, könne sie auch durchsetzen. Die stellvertretende Vorsitzende von Unicef-Deutschland, Maria von Welser sieht dies ähnlich. „Mädchenbildung ist der entscheidende Schlüssel, um die Diskriminierung von Frauen zu beenden“, sagte Welser kürzlich.

Taliban in Afghanistan erschweren Bildung

Nach Angaben von Unicef besuchen weltweit inzwischen weitaus mehr Mädchen in Entwicklungsländern eine Schule als noch vor Jahren. Allerdings werden sie in bestimmten Ländern, darunter West- und Zentralafrika oder Südasien, noch immer benachteiligt. Auf 100 Jungen, die zur Schule gehen, kämen etwa in Mali nur 74, in Afghanistan sogar nur 61 Mädchen.

Eigentlich, so berichtet die Afghanistan-Expertin von Amnesty International in Deutschland, Verena Harpe, habe es nach dem Ende der Taliban-Herrschaft im Jahr 2001 viele positive Entwicklungen im Land gegeben. So sei die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der Verfassung des Landes festgeschrieben worden. Der Staat sei allerdings nicht in der Lage, die Bevölkerung - und speziell die Frauen - zu schützen. Seit die Taliban wieder an Boden gewinnen, werden daher auch wieder vermehrt Mädchenschulen angegriffen - und viele Eltern lassen ihre Kinder lieber zu Hause.

Genitalverstümmelung von Frauen

Auch im Irak, so heißt es in einem Bericht von Amnesty International, trauen sich viele Frauen aus Angst vor Gewalt nicht mehr aus dem Haus. Im kurdischen Nordirak seien zwischen Juli 2007 und Juni 2008 allein 102 Frauen getötet worden. Etliche versuchten zudem sich umzubringen, um Unterdrückung oder Gewalt in der Familie zu entfliehen - meist indem sie versuchten, sich selbst zu verbrennen.

Im Norden Iraks engagiert sich seit 18 Jahren Wadi, der Verband für Krisenhilfe und solidarische Entwicklungszusammenarbeit. Wadi bietet Anlaufstellen für Frauen in Not und kämpft vor allem auch gegen Genitalverstümmelung, eine Praxis, die vor allem auch aus Afrika bekannt ist. In Äthiopien zum Beispiel werden noch immer rund 90 Prozent aller Frauen und Mädchen genitalverstümmelt. Wadi-Geschäftsführer Thomas von der Osten-Sacken beklagt zwar ebenfalls das „marode Bildungssystem“ im Irak und berichtet von „immensen Problemen“, spricht aber auch von positiven Entwicklungen. So sei zum Beispiel das Thema „Genitalverstümmelung“ in den vergangenen vier Jahren vermehrt öffentlich diskutiert worden. Kampagnen fänden große Resonanz - auch bei Männern.

Vergewaltigung als Kriegsmittel

In Äthiopien ist eine Trendwende dagegen nicht in Sicht. Das Land hat mit 673 Toten bei 100 000 Geburten eine der höchsten Sterblichkeitsraten von Frauen bei der Entbindung. Einer der Gründe dafür ist, dass trotz der Aufklärungskampagnen von Regierung und Nicht-Regierungsorganisationen noch immer beinah jedes Mädchen im Genitalbereich verstümmelt wird. Ihnen wird dabei nicht nur die Klitoris entfernt, sie werden in der Regel auch zugenäht, so dass nur eine kleine Öffnung für Harn und Menstruationsblut bleibt. Für die Geburt eines Kindes müssen sie „geöffnet“ werden. Das vernarbte Gewebe macht die Geburt zur Tortur, viele Frauen verbluten. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo oder im westsudanesischen Darfur erleben Frauen täglich, was es heißt, einem Kriegszweck zu dienen. Hier wie dort wird die gezielte und oft öffentliche Vergewaltigung von Frauen von den Kriegsgegnern als Waffe eingesetzt. Mit katastrophalen Folgen für die Opfer. Im Kongo sind die Vergewaltigungen oft so brutal, dass viele Frauen bleibende organische Schäden davontragen. Wie im Darfur dient ihre Qual auch dem Zweck, ihre Männer oder ihre Ethnie zu demütigen.

Dieses und andere Beispiele zeigen: Frauen brauchen weiter Unterstützung - und der Weltfrauentag bleibt ein wichtiges Datum, um auf ihr Leid aufmerksam zu machen.

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