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Vom Max-Liebling-Haus im Zentrum von Tel Aviv aus sollen die notwendigen Sanierungsarbeiten koordiniert werden.

© Thore Schröder

Weltkulturerbe in Tel Aviv: Deutschland hilft bei der Sanierung der Weißen Stadt

Die Weiße Stadt in Tel Aviv gehört zum Weltkulturerbe. Doch das Ensemble von 4000 Gebäuden verfällt. Nun hilft Deutschland bei der Sanierung – mit Geld und Wissen.

Als er Bürgermeister wurde, konnte man hier im alten Rathaus nur wenige Räume nutzen, so marode war es, sagt Ron Huldai, als er an diesem Donnerstag Bundesbauministerin Barbara Hendricks am Bialik-Platz in Tel Aviv begrüßt. Der 70-Jährige ist nun schon seit 1998 Stadtoberhaupt. Und in diesen 17 Jahren hat sich eine Menge getan: 2003 erklärte die Unesco die Weiße Stadt – das weltweit einzigartige Ensemble von rund 4000 Gebäuden der klassischen Moderne – zum Weltkulturerbe.

Die israelische Metropole ist seitdem sauberer und schöner geworden. Viele Straßen, Parks und Gehwege wurden saniert oder ausgebaut, auch beim Bauhaus-Bestand wurde ein Anfang gemacht. Rund 30 Prozent der Gebäude sind mittlerweile renoviert; je nach Lage durften die Investoren dabei weitere Stockwerke hinzufügen, die oft farblich abgesetzt oder nach hinten versetzt sind. Ein Denkmalschutz-Kompromiss.

Baumeister aus Deutschland

Aber es bleibt eine Menge zu tun, das sieht man zum Beispiel direkt neben dem heute wieder weiß leuchtenden alten Rathaus, in dem jetzt das Stadtmuseum untergebracht ist: Die Fassade des Wohnhauses ist grau-braun angelaufen und von unregelmäßig aufgespachteltem Putz verunstaltet. Gründe für den Verfall sind nicht nur die feucht-heiße Seeluft und die Abgase des Tel Aviver Verkehrs, sagt Denkmalschützerin Sharon Golan-Yaron: "In den 30er Jahren haben hier vor allem sehr junge Architekten gebaut, die kaum Erfahrungen hatten."

Die Baumeister, die vor dem NS-Regime aus Deutschland und auch aus anderen europäischen Ländern ins Mandatsgebiet Palästina flüchteten und den internationalen Stil prägten, sahen wegen der nahöstlichen Hitze tiefe Balkone und kleinere Fenster vor, aber sie vernachlässigten oft die Bewehrungen. Durch die Feuchtigkeit korrodierte das Moniereisen im Beton, manchen Decken und Balkonen drohte der Einsturz. Ohne ständige Pflege litten auch die Holzfenster, Klimaanlagen und Leitungen verschandelten die Fassaden, bei vielen Gebäuden wurden die Balkone durch Plastik- oder Holzplatten zugebaut.

Das Bauhaus-Ensemble befindet sich im Zentrum der israelischen Metropole, die schneller wächst als fast jede andere Stadt in der westlichen Welt. "Der Druck ist enorm", sagt Sharon Golan-Yaron. Zum Schutz des architektonischen Erbes hat die Stadtverwaltung Pufferzonen rund um die drei Teilgebiete der Weißen Stadt eingerichtet – hier dürfen keine Hochhäuser mehr gebaut werden.

Fortbildung in Sachen Denkmalpflege

Bei den Sanierungsbemühungen zählt man in Tel Aviv auf Unterstützung aus Deutschland. Am Donnerstag übergab Bauministerin Hendricks (SPD), die im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen angereist war, eine erste Förderzusage über 250.000 Euro. Insgesamt will die Bundesregierung in den kommenden zehn Jahren 2,8 Millionen Euro bereitstellen, damit soll ein Kompetenzzentrum zur Sanierung der Weißen Stadt aufgebaut werden.

Die Initiative dafür geht auf Reinhold Robbe, den Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, zurück. "Unser Beitrag ist überschaubar", sagt die Ministerin. "Die eigentlichen Investitionen müssen von israelischer Seite kommen." Deutschland will sich vor allem mit Expertise, Archivdokumenten und Materialien am Wiederaufhübschprogramm beteiligen. Hendricks denkt an den Austausch von Akademikern oder Fortbildungen in der Denkmalpflege, die das deutsche Handwerk wie kaum ein anderes auf der Welt beherrscht.

Durch die Einwanderung der Architekten in den 30er Jahren haben einige deutsche Wörter wie "Steinputz", "Waschputz" und "Kratzputz" Eingang in die hebräische Sprache gefunden. Aber auch die Materialien für die Bauhaushäuser, deren nüchterner Stil bei den Nationalsozialisten als "heimatlos" und "jüdisch" verschrien war, kamen häufig aus Deutschland. Die Emigranten konnten nach Maßgabe des Haavara-Vertrags, den die zionistische Führung mit Berlin ausgehandelt hatte, ihr Vermögen nur retten, indem sie Maschinen, Möbel oder Baustoffe aus deutscher Produktion exportierten.

Im Treppenhaus des Max-Liebling-Hauses in der IdelsonStraße, wenige hundert Meter vom alten Rathaus entfernt, kann man zum Beispiel beige Kacheln von Villeroy und Boch entdecken. Hier soll 2017 das Kompetenzzentrum Weiße Stadt eröffnen, das neben einer Schnittstelle für die Renovierungen auch als Informationszentrum fungieren wird.

Haus fürs Klima

"Dieses Haus ist deshalb so passend, weil es einen Stil geprägt hat", sagt Sharon Golan-Yaron als Beauftragte der städtischen Denkmalschutzbehörde. Der Architekt Dov Karmi schuf mit dem Gebäude für den Unternehmer Max Liebling eine Synthese des Bauhausstils mit der mediterranen Ästhetik, die sich vor allem auch den klimatischen Bedingungen anpasst. "Die Räume sind perfekt angeordnet und mit den von Le Corbusier adaptierten Streifenfenstern hat Karmi eine Art zweite Hülle geschaffen, wodurch es im Innern eine hervorragende Belüftung gibt."

Ab 2016 wird saniert. Bei der Enthüllung einer Fassadenplakette waren noch die Kinder einer Kita im ersten Stock zu hören. Im zweiten Stock zeigen Studenten der Bauhaus-Universität Weimar bereits Arbeiten, die das Schaffen deutschstämmiger Architekten in der Stadt erklären. 80 Jahre später geht es darum, deren Erbe zu erhalten.

Thore Schröder

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