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Panorama: Wenn Chinesen nur noch Chinesisch verstehen

Jeder zweite Bewohner des Riesenreichs kann kein Mandarin – das führt zu Missverständnissen

Peking - Reisende in China kennen dieses Gefühl der Hilflosigkeit: Im Hotel, auf der Straße und im Taxi verstehen sie kein Wort von dem, was die Chinesen ihnen sagen. Die Schriftzeichen auf Schildern und in Speisekarten erscheinen ihnen wie rätselhafte Avantgardebilder. Kaum eine Sprache ist Europäern so fremd wie Chinesisch. Allerdings: Den Chinesen geht es kaum besser.

Fast die Hälfte der Menschen in der Volksrepublik kann kein Mandarin, wie „China Daily“ berichtet. Nur 53 Prozent der Chinesen beherrschen Hochchinesisch. Der Rest der 1,3 Milliarden Bewohner des Riesenreiches kann sich nur in lokalen Dialekten verständigen, deren Aussprache so unterschiedlich sein kann, dass man einander nicht versteht.

Zwar beherrschen die meisten Stadtbewohner heute „Putonghua“, wie das standardisierte Hochchinesisch genannt wird. Auf dem Land, in den Provinzen der Minderheiten und vor allem in ärmeren Gebieten, wo viele Bauern ihre Kinder nicht oder nur ein paar Jahre zur Schule schicken, können viele jedoch nur ihren Heimatdialekt. Mindestens 80 Sprachen und Dialekte gibt es in China. Durch verschiedene Betonungen ein und derselben Silbe kommen unterschiedliche Bedeutungen zustande. Wenn jemand zum Beispiel „ma“ sagt, kann das Pferd oder Mutter heißen, oder auch schimpfen oder betäubend. Am Ende des Satzes zeigt „ma“ dagegen eine Frage an. Gefährlich für Sprachstudenten ist der Satz „Qing wen ni yi xia“ – „Ich habe eine Frage“. Falsch betont heißt das: „Darf ich Sie küssen?“.

Wenn Chinesen aus unterschiedlichen Landesteilen miteinander Hochchinesisch reden, sind Missverständnisse programmiert. Die Bewohner der Provinz Hubei haben zum Beispiel Schwierigkeiten, l und n zu trennen. Wenn sie „lan“ („Blau“) sagen, hört sich das für andere Chinesen wie „lan“ („männlich“) an. Schwierig sind auch Zahlen – „si“ („vier“) klingt in manchen Dialekten so ähnlich wie „shi“ („zehn“). Wenn gar nichts mehr geht, nehmen die Chinesen die Hände zu Hilfe. Mit dem Finger malen sie auf die Tischdecke oder auf die Innenfläche der Hand. Geschrieben wird in China zum Glück überall gleich.

Harald Maass

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