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Panorama: Wenn der Schnee regiert

In Griechenland und in der Türkei ist der Verkehr zusammengebrochen. 20 Vermisste nach Schiffsunglück

Die Türkei im Ausnahmezustand: Bei heftigen Schneestürmen ist am Freitag ein Schiff mit 21 Menschen an Bord im Schwarzen Meer nahe der türkischen Handelsmetropole Istanbul gesunken. 20 Besatzungsmitglieder würden noch vermisst, sagte ein Vertreter der lokalen Wasserschutzbehörde. Bereits seit Donnerstag haben Schneestürme große Teile des Straßen-, Luft- und Wasserverkehrs in Südosteuropa lahm gelegt.

Wer keinen dringenden Grund zum Ausgehen habe, solle das Haus nicht verlassen, appellierte der Gouverneur von Istanbul am Freitag an die Einwohner der Millionenmetropole am Bosporus. Weit wären sie ohnehin nicht gekommen: Weder zu Lande, zu Wasser noch in der Luft gab es in weiten Teilen der Türkei am Freitag ein Entrinnen vor dem schweren Schneesturm.

Der Flughafen von Istanbul blieb den ganzen Tag geschlossen. Bosporus und Dardanellen blieben für den Schiffsverkehr gesperrt, die Fährverbindungen über das Marmara-Meer wurden eingestellt. Ebenso wie die Stadtautobahn von Istanbul wurden auch viele Überlandstraßen in der Türkei gesperrt. Die Straßen gehörten in weiten Teilen des Landes ganz den Kindern, die wegen des Schnees schulfrei bekamen. Seit Tagen hatten sich Behörden und Bürger auf den nahenden Schneesturm vorbereitet, um nicht wieder so kalt erwischt zu werden wie beim letzten Unwetter im Januar. Damals hatten tausende Menschen auf unpassierbaren Straßen nächtelang in ihren Autos festgesessen, die Stromversorgung in weiten Teilen Istanbuls stunden- und teils sogar tagelang zusammengebrochen, und mehrere Schulkinder auf dem Heimweg erfroren. Vorsorglich wurden die Schulen in Istanbul und vielen anderen Provinzen deshalb schon einen Tag vor Beginn des Sturms bis auf weiteres geschlossen.

Die Stadt Istanbul brachte ihre Räumfahrzeuge schon in der Nacht vor dem Sturm an allen Verkehrsknotenpunkten in Stellung. Selbst in Izmir an der Ägäisküste waren Schneeketten am Freitag vorgeschrieben.

Trotz aller Vorsorge wurde die Türkei aber auch von diesem Schneesturm wieder schwer gezaust. Am härtesten traf es die Besatzungen der Frachter und Tanker aus aller Welt, die sich vor den gesperrten Meerengen stauten und deren Anker den Sturmböen nicht standhielten. Mehrere riesige Schiffe wurden von den Ankerplätzen geweht und liefen auf Grund.

Von Gerd Höhler, Athen

Die heftigsten Schneefälle seit mehr als einem Jahrzehnt haben am Freitag Griechenland in ein Chaos gestürzt. Tausende Menschen saßen in eingeschneiten Personenwagen, Reisebussen und Lastzügen gefangen.

Die Viermillionenstadt Athen war von allen Verkehrsverbindungen abgeschnitten. Die aus der Stadt führenden Fernstraßen und die Athener Ringautobahn waren seit dem frühen Morgen unpassierbar, der Bahnverkehr musste eingestellt, der Athener Flughafen geschlossen werden. Etwa 3000 Passagiere warteten in den Abfertigungshallen auf ihre Flüge. „Die Sicht ist praktisch gleich null, wir wissen nicht, wann wir den Flugverkehr wieder aufnehmen können“, sagte ein Flughafensprecher. Auch die nördlichen Vororte der griechischen Hauptstadt, wo binnen weniger Stunden fast 50 Zentimeter Neuschnee fielen, waren abgeschnitten.

Vielerorts brach die Elektrizitätsversorgung zusammen. „Wir sind gefangen, es gibt weder Strom noch Wasser, und wir können die Haustür wegen des Schnees nicht öffnen“, berichtete telefonisch eine Frau aus dem Athener Vorort Lavrion. Die Athener Verkehrsbetriebe stellten den Busverkehr auf den meisten Linien ein, lediglich die U-Bahn fuhr.

Viele Geschäfte blieben geschlossen, hunderttausende kamen zu spät oder gar nicht zur Arbeit. Der Schulunterricht fiel aus. Auf der Akropolis, dem Wahrzeichen Athens, lagen 20 Zentimeter Neuschnee. Meteorologen sprachen von den schwersten Schneefällen seit 1992. Dramatisch war die Situation am Freitag auf zahlreichen Autobahnabschnitten, wo tausende Menschen in ihren Fahrzeugen eingeschneit waren. „Man hat uns völlig im Stich gelassen“, klagte der Fahrer eines Überlandbusses in einem Telefonat mit dem griechischen Fernsehen aus seinem seit acht Stunden auf der Autobahn eingeschneiten Fahrzeug.

„Wir haben keinen Treibstoff mehr, die Heizung funktioniert nicht, zwei Fahrgäste sind bereits ohnmächtig“, sagte der Busfahrer. „Wir sind der Verzweiflung nahe“, berichtete der Fahrer eines seit neun Stunden auf der Autobahn eingeschneiten Schulbusses über sein Handy. „Die Kinder frieren und sind hungrig, wir brauchen dringend Decken und warme Getränke“. Erst am Freitagmittag begannen Einheiten der Armee mit Bergepanzern auszurücken, um die Fahrgäste aus den zahlreichen eingeschneiten Überlandbussen zu befreien.

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