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Ferienschule. In der Schule an der Geißenweide in Marzahn verbringen 90 Hortkinder einen Teil ihrer Ferien. Der Hof wurde gerade mit EU-Mitteln saniert.

© Kitty Kleist-Heinrich

Wenn die Schule zum Ferienort wird: Nicht ganz freiwillig

Tausende Berliner Kinder besuchen in den Ferien den Hort, weil die Eltern arbeiten müssen. Ein Bericht aus Marzahn.

„Verreisen“, „verreisen“, „verreisen“ – die Mädchengruppe, die an diesem verregneten Ferientag in einem Klassenzimmer der Grundschule an der Geißenweide in Marzahn Scoubidou-Bänder flechtet, Magnettischtennis und Uno spielt oder Perlenbilder anfertigt, ist sich einig, was an den Sommerferien eigentlich am schönsten ist. Sie alle haben Reisepläne, aber weil ihre Eltern erst mal arbeiten müssen, verbringen sie eine oder mehrere Wochen in der Ferienbetreuung des Ganztagesbereichs an ihrer Schule. „Ins Spaßbad“, „Bowling“, die Mädchen haben viele Ideen für Ausflüge. „Auswandern“, mit der Familie, schlägt die elfjährige Anastasia lächelnd vor. Denn noch wichtiger als Abwechslung ist für die Kinder, ihre freie Zeit mit Menschen zu verbringen, die sie sehr gerne haben.

Rund 90 Schüler, ein Drittel der Kinder, die während des Schuljahres im Hort angemeldet sind, kommen zur Ferienbetreuung der Schule. Die leitende Erzieherin Gabriele Becker-Spitzbarth hat eine dicke Mappe mit Fotos von Ausflugszielen und den Kommentaren der Kinder: ins Naturschutzzentrum Schleipfuhl, ein Vormittag mit wissenschaftlichen Experimenten oder mal ins Kino. Auch in dieser Woche steht fast jeden Tag ein Ausflug auf dem Programm. Weil das Personal knapp ist oder das Geld für die Fahrtkosten fehlt, können jeweils nur 20 der 90 Kinder mitfahren.

Die Zahl der Schulkinder im Einzugsgebiet der Schule ist in den vergangenen acht Jahren stark gestiegen. Für den Hort waren 2005 noch 128 Kinder angemeldet, dieses Schuljahr waren es rund 300. Der Anstieg hat allerdings noch einen andern Grund: In den vergangenen zwei Jahren wurde die sogenannte Hortlücke geschlossen: Seither haben auch die Fünft- und Sechstklässler Anspruch auf die Betreuung nach der Schule. Dadurch hat sich die Zahl der Kinder im Ferienhort erhöht.

Im neuen Schulhof kommt bei ihnen bei schönem Wetter schnell Sommerstimmung auf. Neben dem neuen Sportplatz gibt es Schaukeln, orangefarbene, grüne und gelbe Schattenspender. Die Schule hat Planschbecken, Waveboards, Frisbees und Wasserspritzen. Bei schlechtem Wetter organisieren die Erzieher mal eine Beach-Party im Klassenzimmer oder verwandeln die Schule in ein Kuscheltiersanatorium.

Doch die Räume sind relativ eng, gerade in der ersten Woche, wenn der Hausmeister zeitgleich die Generalreinigung durchführt. Wie andere Berliner Schulen nutzt die Grundschule an der Geißenweide dieselben Räume für Unterricht und für den Freizeitbereich. Die Erzieher helfen sich auch mit Abwechslung in der unmittelbaren Nachbarschaft: Sie erkunden das Siedlungsgebiet, die Spielplätze oder die Gärten der Welt. Ausflüge wären aber leichter zu organisieren, sagt Becker-Spitzbarth, wenn das Schülerticket der BVG auch in den Ferien gelten würde. Tut es aber nicht. So müssen die Fahrtkosten für alle Kinder vorab einzeln abgerechnet werden. Der organisatorische Aufwand sei größer, man sei weniger spontan und die Kosten für die Eltern steigen. Die Ferienfahrt, die man in den letzten beiden Jahren wie die Falkgrundschule im Bezirk organisiert hat, konnte diesen Sommer aus Kostengründen nicht stattfinden.

Für ein paar Kinder sind die Ferienangebote der Schule die einzige Abwechslung im Sommer, sie kommen die gesamten sechs Wochen über. Becker-Spitzbarth würde den Kindern Urlaub außerhalb des Horts gönnen, damit sie auch einmal ausschlafen können: Um sechs Uhr bringen die ersten Berufstätigen ihre Kinder vorbei, spätestens um neun Uhr müssen alle da sein.

Etwas anders ist es im Schülerclub für die Fünft- und Sechstklässler. Er öffnet erst um 11 Uhr. Da stehen manche Kinder dann schon vor der Tür, erzählt Leiter Luis Falconere. Im Schülerclub herrsche freieres Kommen und Gehen, auch ehemalige Schüler und Kinder aus der Nachbarschaft kommen hierher. Gerade sei ein Junge gegangen, um sich Mittagessen zu machen. Nach dem Nachtdienst holt sein Vater am Vormittag seinen Schlaf nach.

Manche Kinder kennen im Ferienhort niemanden, berichtet Elternvertreter Oliver Tzschentke. Seine Tochter Sarah habe deshalb anfangs gemurrt, als es hieß, dass sie eine Woche zur Ferienbetreuung soll. Drei Wochen hat die Familie gemeinsam Urlaub, zwei Wochen konnten in der Familie organisiert werden, die verbleibende Woche ging nicht ohne Hort.

Die wenigsten Eltern koordinieren den Urlaub und die Zeit in Berlin neben Arbeitgebern und Großeltern auch noch mit den Eltern der besten Freunde ihrer Kinder, sagt Tzschentke. Er selbst hatte den Urlaub aber schon früh gebucht und einen guten Draht zu den Eltern von Sarahs bestem Freund Robin. Nun haben sie die erste Ferienwoche gemeinsam verbracht. Der Hort war für Sarah dadurch nicht mehr so schlimm, erzählt der Vater. „Wenn Robin auch kommt“ – das war ein Argument.

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