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Ringeltauben

© imago images/HMB-Media

Wer gewinnt – Stadttaube oder Goldregenpfeifer?: Auf einmal machen Tausende Wahlkampf für ihre Lieblingsvögel

Wer wird „Vogel des Jahres“? Dieses Jahr kann abgestimmt werden - und dank des Engagements eines Schriftstellers holt der Goldregenpfeifer auf - vorn liegt aber die Stadttaube.

Manch einer wird sich während der Coronakrise vorgekommen sein wie ein Triel. Dieser ungewöhnliche Vogel rennt meist geduckt umher statt zu fliegen, hat melancholisch gelbe Augen, wirkt wirklich angegangen und hat unschöne dicke Knie.

Er ist von eindeutig trauriger Gestalt. Und momentan auch nur auf Platz 149 der Rangliste des Nabu (Naturschutzbund Deutschland) bei der Wahl zum Vogel des Jahres 2021. Das ist immerhin im Mittelfeld. Hinter dem Triel hat sich der Seeregenpfeifer positioniert. Aber sein goldiger Kollege – der Goldregenpfeifer – ist ganz vorn dabei. Dank Saša Stanišic auf Platz zwei.

Denn wie etwa 70.000 weitere Menschen befasst sich der Schriftsteller Saša Stanišic gerade sehr ernsthaft mit der diesjährigen Vogelwahl. Der Autor, der den Deutschen Buchpreis schon besitzt und daher in diesen grauen Tagen offensichtlich Zeit für berauschende Recherchen hat, gründete flugs ein Wahlkampfteam zur Unterstützung seines Lieblingsvogels. Die „Goldregenpfeifer- Ultras“.

Es ist ein Novum: In diesem Jahr sollen nicht die Ornithologen entscheiden, wer der fliegende Star des Jahres wird, sondern alle. Wir. Das Volk soll wählen. Und kämpft seit gut einer Woche darum, Gimpel, Bienenfresser, Sumpfohreule oder Lachmöwe nach vorn zu bringen. Es gibt bereits etliche Wahlkampfteams, so die „Steinkauz-Stimmen-Fänger“, „Stockentifa“, „einhochaufdenbuntspecht“ oder den „Wachtelclub“.

Ein Wahlkampfgenerator des Nabu hilft dabei, die Kampagnen professionell zu begleiten, wahlweise für das Profilbild oder den Aushang im Hausflur. Während das Wahlkampfmaterial erstellt wird, empfiehlt sich übrigens das Hören der CD „Wake up Calls“ von Cosmo Sheldrake – mit musikalisch verarbeiteten Rufen der Nachtigall, des Kuckucks oder der Heckenbraunelle.

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Die Ultras

Saša Stanišic also mischt mit seinen Ultras von Beginn an mit, berief extra eine Pressekonferenz in Ulm ein und wertet Diagramme von Expertinnen und Experten aus. Sehr ausgiebig kämpft er auch auf Twitter für seinen gefiederten Favoriten.

Besondere Fahrt nimmt sein ornithologisches Engagement auf, seit ein ihm gänzlich unsympathischer Vogel aktuell den ersten Platz ertrippelt hat: Es ist die Stadttaube. Ist das zu fassen? Wer bitte kommt auf diese Idee? Tauben? Die sich glotzäugig auf Balkone setzen und die mühevoll sich windende schwarzäugige Susanne oder Clematis dort mit ihrem Stuhlgang belasten? Wir leben bereits im Jahr der Turteltaube. Warum dann bitte auch noch die Stadttaube?

Die Konkurrenz im Blick. Der Goldregenpfeifer.
Die Konkurrenz im Blick. Der Goldregenpfeifer.

© imago images/blickwinkel

Da versöhnt auch der Ornitholgen-Merkspruch zum Beschreiben des gurrenden Rufes der Taube wenig: „Hör gut zu, Gudrun du!“ Will wirklich jemand dem Dialog zwischen Gudrun und, sagen wir, Gundula lauschen, im Hinterhof oder auf dem Bürgersteig. Stadttauben sind dennoch bundesweit hoch im Kurs. Zum Beispiel in Schleswig-Holstein. Obwohl sie dort auch den Alpenstrandläufer haben oder den Austernfischer.

Mit einem Klick

Denn auch das bietet die diesjährige Wahl: Neben dem bundesweiten Gesamtüberblick ist jedes Bundesland mit einem Klick erreichbar. Und während in Sachsen die Stadttaube wie im Bund auf dem ersten Platz nistet, hat sich in Mecklenburg-Vorpommern das Wintergoldhähnchen als Favorit durchgesetzt, gefolgt von der Rauchschwalbe.

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Das Team um Autor Saša Stanišic jedenfalls pushte den Goldregenpfeifer mit possierlichen Bildern, ernsthaften Habitat-Erforschungen und morgendlichen GPR- Lautsequenzen von Rang 22 auf Rang 1 in Berlin.

Viele der 307 gefiederten Kandidaten sind ihres Über-Lebens bei uns nicht sicher, der Status „bald gefährdet“ oder „gefährdet“ steht wie ein Stempel auf ihrer Bewerbung. Die Stadttaube kann, das sei am Rande bemerkt, einer gesicherten Zukunft entgegenfliegen.

Der Teichwasserläufer – derzeit abgehängt auf Platz 307 – hat wohl kein Wahlkampfteam. Und der Triel? Am Samstag hat er in der bundesweiten Wertung Platz 150 erreicht, geduckt, wie es für seine Art typisch ist. Ein Wahlkampfteam für ihn gibt es, dessen Slogan klingt ausgewogen: „Charmant und skurril – wählen Sie den Triel!“

Sandra Kurtz

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