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Panorama: Wie ein Gemetzel

Die beiden Schüler verübten ihre Bluttat in Mecklenburg-Vorpommern mit mehreren Messern

Der Hausherr war offenbar dabei, seiner Familie ein schmuckes Zuhause zu schaffen. Frische Ziegel decken das hellrote Backsteinhaus, die Gartenmauer wartet noch auf eine letzte Reihe Steine. Am Rand des gepflegten Hinterhofs zwitschern bunte Vögel in einer Voliere. Während auf der rechten Fläche neben dem kurzen Weg von Pforte zur Haustür Gras sprießt, liegt die linke noch brach. Über diesen kurzen Weg müssen am Sonnabend gegen 21 Uhr 30 Torben und Felix gekommen sein, bevor sie an der Tür klingelten und ein Blutbad anrichteten, für das weder die Nachbarn noch die Ermittler bislang eine Erklärung haben. „Unfassbar“ und „unerklärlich“, sagen die wenigen Tessiner, die sich am zweiten Tag nach dem Verbrechen auf den einsamen Straßen des Dorfes sehen ließen. Über den späten Besuch mag sich der 46 Jahre alte Hausherr gewundert haben, nicht aber über die beiden 17 Jahre alten Besucher. Felix, der nur wenige Häuser weiter wohnte, spielte regelmäßig mit seinem Sohn Florian (16) Computer.

Mit zahlreichen Stichen in den Kopf und in den Körper stachen Felix und Torben den Mann nieder. Als die 41-jährige Ehefrau hinzukam, fielen Felix und Torben auch über sie her und töteten sie. Was den Ermittlern Rätsel aufgibt, ist die ungeheure Brutalität der beiden Täter. Sie verwendeten für ihre Bluttat mehrere Messer. Sohn Florian verbarrikadierte sich im Wohnzimmer und alarmierte die Polizei. Als die eintraf, hatten die Täter inzwischen eine Geisel bei sich. Mit der 15-Jährigen und anderen Jugendlichen hatten sie den milden Winterabend auf den Dorfstraßen verbracht, heißt es. Zu dritt verließen sie die anderen und machten sich auf den Weg zu Familie E. Neben deren Haus am Dorfrand brachten die beiden Schüler ihre Begleiterin in einen verwahrlosten Schuppen, in dem früher die Dorfjugend einen „Tessiner Club“ betrieb. Erst nach der Bluttat wurde die Geisel aus dem Schuppen geholt. Auf der Flucht mit dem alten Zweitwagen der Familie E. kamen Felix und Torben nicht weit. Sie durchbrachen die Gartenpforte und zweimal den weißgetünchten Bretterzaun einer kleinen Koppel auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Nach einer Stunde Verhandlungen mit der Polizei gaben Felix und Torben auf. Ihre Geisel blieb äußerlich unverletzt.

Das Mädchen soll mit der Tat nichts zu tun haben. „Kein plausibles Motiv“ haben die Vernehmungen der beiden Jungen bislang ergeben, so Staatsanwalt Hans-Christian Pick. Auch seien weder Alkohol noch Drogen im Spiel gewesen. Kurz vor der Tat sollen die beiden jedoch gegenüber einem späteren Zeugen angekündigt haben, jemanden töten zu wollen. Pick hat jedoch keinen Hinweis, dass sich diese Ankündigung, die von den Jungen noch nicht bestätigt wurde, überhaupt auf das Ehepaar bezog. Es ging um das Auto, hört man in Tessin, ohne dass dafür ein Grund genannt werden kann. Es ging um den Sohn der Opfer, Florian, der eben nicht zum Gymnasium ging und eher ein ruhiger Außenseiter ist, sagen andere.

Am Gymnasium in Boizenburg, wo die beiden Täter in die elfte Klasse gingen, galten sie als gute bis sehr gute Schüler, unauffällig und beliebt. Schulleiter Norbert Stern ließ gestern den Unterricht ausfallen, damit die Schüler mit Lehrern und Betreuern über die Tat ihrer Mitschüler reden konnten. Aus der Tatsache, dass die beiden die Computer-AG der Schule leiteten, will Stern keinen Grund ableiten. Sie seien hilfsbereit gewesen und hätten sich für andere eingesetzt. Tessins Bürgermeisterin Gertrud Geistlinger (70) hat ihren Schock noch nicht verarbeitet. „Die Jungen sind zusammen groß geworden, waren integriert“, berichtet sie. In ihrem Dorf sei die Kirchgemeinde aktiv, eine Frauengruppe, der Sportverein und die Freiwillige Feuerwehr. „Es gibt Teich- und Erntefeste, da werden alle einbezogen. Wir lassen keinen herunterfallen“, erzählt sie. Über Torben aus dem Nachbardorf kann sie wenig erzählen, nur dass er aus geordneten Verhältnissen stamme. Felix’ Eltern hingegen seien im Dorf beliebt und engagiert gewesen, die Mutter trat zum Beispiel mit ihrer Puppenbühne bei Veranstaltungen im Dorf auf.

Das Amtsgericht Hagenow schickte Felix und Torben wegen Totschlags und Geiselnahme in Untersuchungshaft. Staatsanwalt Pick wird prüfen, ob er dagegen Beschwerde einlegt. Er hatte den Haftbefehl wegen Mordes, Geiselnahme und Diebstahl beantragt.

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