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Vermummt. Der Kopf ist stark durchblutet und verliert schnell Wärme.

© dpa

Wie man den Winter übersteht: Joggen oder lieber Schnaps trinken?

Das Prinzip der Zwiebel - was Experten bei Kälte empfehlen und wovon sie lieber abraten.

Minus 15 Grad am Morgen – kann man da durch Parks und Wälder joggen, ohne eine Lungenentzündung zu bekommen? Diese Frage stellt sich auch mancher, der in der Frühe einem Bus hinterherrennt. Ist hektisches Atmen bei Kälte gefährlich? Wer regelmäßig trainiert und gesund ist, kann aus medizinischer Sicht auch bei kräftigen Minusgraden im Freien Sport treiben, beruhigt Folker Boldt, Ärztlicher Leiter des Zentrums für Sportmedizin Berlin. Freizeitsportler, die sich durch den Frost nicht vom Joggen abhalten lassen, sollten allerdings auf jeden Fall ihren Mund vor der Kälte schützen. „Das ist wichtig, damit die kalte Atemluft nicht ungebremst eingesaugt wird“, erläutert Boldt. Die Kälte kann zu Entzündungen der Atemwege führen, aus denen Viren und Bakterien ihren Vorteil schlagen. Um die Luft etwas anzuwärmen, ehe sie die unteren Atemwege erreicht, empfiehlt es sich zudem, möglichst nur durch die Nase zu atmen. Die Nasenatmung könne man trainieren, und wenn sie nicht mehr ausreiche, solle man unbedingt die Anstrengung herabsetzen, rät der Sportmediziner. Außerdem wichtig: Langsam beginnen, allmählich das Tempo steigern.

Dass sich die Blutgefäße im Außenbereich des Körpers verengen, ist eine Form, mit der sich der menschliche Organismus an die Kälte anpasst. Ziel ist, die Temperatur im Kern des Körpers konstant bei etwa 37 Grad zu halten. Mit Zittern leistet die Muskulatur ihren Beitrag dazu. „Wer besser an die Kälte gewöhnt ist, beginnt erst bei niedrigeren Temperaturen zu zittern, das haben Studien mit Schwimmern gezeigt“, sagt Oliver Opatz vom Institut für Physiologie der Charité. Durch häufigen Aufenthalt im Freien, aber auch durch kaltes Duschen könne man die Anpassung an die Kälte trainieren, sagt Opatz.

Inuit, die dauerhaft mit extremen Minusgraden konfrontiert sind, haben zudem auch eine größere Fettmasse. Gebiete mit Temperaturen um minus 50 Grad hat der Mensch sich im Lauf der Evolution aber nur erobern können, weil er sich mit der Kleidung ein künstliches Fell schuf. Kleidung hilft besonders effizient, wenn sie nach dem Zwiebelprinzip in Schichten übereinander getragen wird. Je nach aktuellem Aufenthaltsort können einzelne Schichten dann aus- oder wieder angezogen werden. Wichtig ist, dass die Schichten nicht zu eng anliegen, kleine Luftkammern und Luftschichten wirken isolierend. Entsprechend sollte abgewogen werden, ob es sinnvoll ist, mehrere Strümpfe übereinander anzuziehen. Wird es zu eng im Schuh, könnte das Durchblutung und Wärme beeinflussen.

Schnaps dagegen ist als Schutz gegen die Kälte ungeeignet. Zwar entsteht ein wohlig-warmes Gefühl, wenn die Blutgefäße sich weiten. Doch die Anpassung an die Kälte wird dadurch schlechter.

Gefährlich werden kann die Kälte auch für alle, die unter schwerem Asthma leiden, deren Bronchien verengt und besonders sensibel sind. Wenn es klirrend kalt ist, erleiden zudem immer wieder Herzpatienten beim Schneeschaufeln einen Infarkt oder einen Anfall von Angina pectoris. „Bei Kälte sind solche Tätigkeiten anstrengender, da das Herz mehr arbeiten muss. Die Gefahr eines Herzinfarktes ist erhöht“, sagt Opatz. Besonders lästig ist die Kälte für alle, die unter einer Kälteurtikaria leiden, oft fälschlich als „Kälteallergie“ bezeichnet. Bei ihnen werden Entzündungsbotenstoffe ausgeschüttet, die zu juckender Haut und Quaddeln führen. Sie zeigen sich meist im Gesicht. Dieser Körperteil, der als einziger der Kälte nackt trotzen muss, verfügt über die größte Dichte an Kälterezeptoren. Umso wichtiger ist hier ein Schutz. Fetthaltige Creme und Lippenpflegestifte sind sinnvoll, ein Schal zur Vermummung schützt ebenfalls. Wegen der gut durchbluteten Kopfhaut friert der Kopf schnell. Eine Mütze sollte nicht fehlen.

In vielen Sprachen der Erde heißt der grippale Infekt, der sich mit Husten und Schnupfen äußert, im Volksmund „Erkältung“. Streng genommen ist das falsch, denn der Grund ist immer eine Ansteckung mit Viren. Von Kälte allein bekommt man keine Erkältung. Inzwischen zeigen aber Studien, dass warme Kleidung trotzdem vor Erkältung schützt. So haben Mediziner von der Uni Cardiff 180 Freiwillige in der kalten Jahreszeit mit nackten Füßen nach draußen geschickt. Die eine Gruppe steckte die Füße in eine leere Schüssel, die andere musste ein eiskaltes Fußbad nehmen – und tatsächlich erkälteten sich deutlich mehr Probanden aus dieser Gruppe. Eine Erklärung entsteht, weil Frierende meist schnell eine kalte Nase bekommen, und dann dort, in der Eintrittspforte der Viren, wegen der schlechteren Durchblutung die Abwehrzellen des Immunsystems weniger effizient arbeiten.

Nasskaltes Wetter scheint der Verbreitung von Viren tendenziell überhaupt Vorschub zu leisten. Sobald die Menschen sich mehr in geschlossenen Räumen aufhalten, können sie sich auf jeden Fall in hoher Konzentration verbreiten. Opatz rät dazu, das Immunsystem zu stützen, indem man sich besonders vitaminreich ernährt. Kohlenhydrate wärmen den Körper. Für die meisten Menschen mit Herz- oder Bronchialproblemen spricht nichts gegen Spaziergänge bei Frost. Boldt: „Auf jeden Fall sollte man sich auch jetzt bewegen, wenn nicht draußen, dann im Fitnessstudio, auf dem Hometrainer oder im Schwimmbad.“

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