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Panorama: Wie Psychologen Opfern von Geiselnahmen helfen - auch der Todesschütze wird betreut

Für die Opfer von Geiselgangstern und Entführern ist mit der Befreiung noch kein glückliches Ende erreicht. "Die schrecklichen Ereignisse tauchen immer wieder auf", erklärt der Psychologe Knud Eike Buchmann von der baden-württembergischen Polizeihochschule.

Für die Opfer von Geiselgangstern und Entführern ist mit der Befreiung noch kein glückliches Ende erreicht. "Die schrecklichen Ereignisse tauchen immer wieder auf", erklärt der Psychologe Knud Eike Buchmann von der baden-württembergischen Polizeihochschule. Schlafstörungen, Ängste und häufig auch Selbstmordgedanken können die Opfer noch Wochen quälen.

Banken und Fluggesellschaften bereiten ihre Angestellten oft auf mögliche Tatabläufe vor. Die Mitarbeiter lernen zum Beispiel, dass die plötzliche Hilflosigkeit und Todesangst ihre Wahrnehmung und ihr Urteilsvermögen verändern werden. Sie erfahren, dass eine Denkblockade "eine ganz normale Reaktion" ist. Sie wissen, dass sie den Täter nicht provozieren dürfen und dass sich Opfer oft mit dem Täter solidarisieren gegen die vermeintlich untätige oder bedrohliche Polizei. Solche Vorbereitung hilft, bleibenden Schäden vorzubeugen. Nach einer Befreiung werden die Opfer zunächst ärztlich versorgt. Sie sollen essen, schlafen, duschen und mit ihrer Familie reden. Erst zwei, drei Tage später sind die Psychologen am Zug. "Wir gehen die Ereignisse wieder durch. Wir lassen sie erzählen und den Stress nochmal nachempfinden", sagt Professor Buchmann. Dann sollen sie versuchen, den äußeren Tatablauf von ihren Gefühlen zu trennen. "Sie sollen über das Geschehen berichten können, ohne dass sie in einen Wutausbruch oder in depressive Stimmung verfallen." Wie die Opfer mit dem Erlebten fertig werden, hängt von vielen Faktoren ab: In welcher Verfassung waren sie vor der Tat? Wie groß war die Lebensbedrohung? Wurden sie gefesselt? Kannten sich die Geiseln, oder waren sie allein? Wie brutal gingen die Täter vor? Wieviel erfuhren die Opfer von den Rettungsbemühungen der Polizei? Die Folgen der Geiselhaft sind meist Interesselosigkeit, Schlafstörungen, Wutausbrüche, übertriebene Ängste und oft auch Selbstmordtendenzen. In mehrstündigen Sitzungen lernen die Opfer, sich auch geistig zu disziplinieren: "Ich will nicht immer negativ denken, sondern positiv: Ich habe das Ganze überlebt", erklärt der Psychologe. Autogenes Training kann helfen, sich zu beruhigen. Beim Verhaltenstraining werden Szenen nachgespielt. "In zwei, drei Sitzungen kann man das Wesentliche regeln", sagt Buchmann. In den Wochen nach der Geiselnahme halten sich Psychologen Tag und Nacht bereit, damit die Opfer in einer Krise jederzeit Hilfe finden.

Psychologen betreuen auch Polizisten, die den Täter erschossen haben. Die Schützen der Sondereinheiten seien auf solche Situationen zwar vorbereitet, sagt Buchmann. Auch reagierten Beamte, die bei einer klaren Entscheidung zwischen dem Leben der Geisel und des Gewalttäters zu schiessen hatten, stabiler. Aber einige Polizisten entwickelten nach einem tödlichen Schuss "ein anderes Verhältnis zu Waffen. Manche sind dann schneller dabei, andere entwickeln Hemmungen".

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