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Wiederaufnahmeverfahren: Gustl Mollath steht erneut vor Gericht

Gustl Mollath hat erreicht, dass der Prozess gegen ihn noch einmal komplett neu aufgerollt wird. Er erwartet einen Freispruch. Doch das Verfahren könnte schon am ersten Tag durcheinander geraten.

Das Schicksal des Gustl Mollath hat die Menschen in Deutschland berührt und eine Debatte über die Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern ausgelöst. Mollath selbst hat sich immer als Justizopfer gesehen und jahrelang für seine Freilassung gekämpft. Knapp ein Jahr nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie steht Mollath an diesem Montag nun erneut vor Gericht.

Fall von Gustl Mollath neu aufgerollt: Worum geht es?

Die Vorwürfe in der Anklageschrift sind schwerwiegend: Mollath soll seine damalige Ehefrau mit 20 Fausthieben niedergeschlagen, gebissen, getreten und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben. Monate später soll er sie zudem für eineinhalb Stunden in der Wohnung festgehalten haben. Außerdem wird ihm vorgeworfen, Anfang 2005 Dutzende Reifen von Autos zerstochen zu haben, deren Besitzer er als Gegner im Scheidungskrieg und bei seinen Schwarzgeld-Vorwürfen ansah. Der Medienandrang wird wohl größer sein als alles, was die 140000-Einwohnerstadt an der Donau je erlebt hat.

Es geht bei diesem Prozess um weit mehr als schwere Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung. Es geht um den Kampf des heute 57-Jährigen gegen seine Zwangseinweisung in die Forensik, die Psychiatrie für gefährliche Straftäter, wo er siebeneinhalb Jahre weggesperrt war. Mollath bestreitet die Gewalttaten in dieser Form, vielmehr sei seine Frau auf ihn losgegangen, er habe sich gewehrt. Die Reifenstechereien habe er nicht begangen. Zeugen und Beweise gibt es keine.

Warum wird das Verfahren neu aufgerollt?

Die Vorwürfe, seine Frau und weitere Mitarbeiter der Hypo-Vereinsbank würden Schwarzgeld in die Schweiz verschieben, waren Mollath nicht geglaubt worden. Es gab trotz unzähliger von ihm aufgestellter Listen und erhobener Anzeigen keine Ermittlungen. Stattdessen waren ihm ein „paranoides Gedankensystem“, eine „wahnhafte psychische Störung“ sowie Gemeingefährlichkeit attestiert worden.

Die Folge: Mollath galt als unzurechnungsfähig, wurde deshalb freigesprochen, kam aber in die Psychiatrie. Ende 2012 tauchte aber ein Bericht der Hypo-Vereinsbank auf, laut dem sich viele Vorwürfe Mollaths als zutreffend herausstellten. Nun hofft er auf eine vollständige Rehabilitation – und einen Freispruch. Auf jeden Fall hat er schon jetzt etwas erreicht, was im Justizwesen als nahezu unerreichbar gilt: eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Der alte Prozess, 2006 in einem Tag und zumindest mit viel Schlampigkeit durchgezogen, ist damit aufgehoben. Alles wird inklusive zusätzlicher Erkenntnisse neu verhandelt.

Was hat der Fall bisher ausgelöst?

Der Fall erschütterte nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland massiv das Ansehen von Justiz, Politik und Psychiatriegutachtern. Es entwickelten sich Legenden über gigantische Schwarzgeldverschiebungen, in die angeblich ganz viele Personen verwickelt waren und die von staatlichen Institutionen gedeckt worden seien. Bayerns vormalige Justizministerin Beate Merk (CSU) wurde wegen ihres schlechten Krisenmanagements aus dem Amt entfernt.

Der Psychiater Klaus Leipziger, Leiter der Bayreuther Forensik, geriet massiv in die Kritik. Er hatte das ausschlaggebende Mollath-Gutachten verfasst, zugleich war Mollath in seiner Klinik eingewiesen. Seine Person ist vor allem mit diesem Psychiatriefall verbunden, er erzählt von vielen Schmähungen und Drohungen deshalb. Dass sich ein Fall Mollath mit einer solch langen Zwangsunterbringung wiederholt, ist unwahrscheinlicher geworden. Bayern hat bereits Änderungen am Maßregelvollzug auf den Weg gebracht. Außerdem hat es als Konsequenz aus dem Fall Vorschläge zu einer Reform des Strafgesetzbuches formuliert, die strengere Kriterien für Zwangsunterbringungen vorsehen.

Was ist über das Leben und die Persönlichkeit von Mollath bekannt?

Gustl Mollath ist ein Querkopf, schrullig, vielfach starrsinnig, mit dem Hang zu Ironie ausgestattet. Er ist ein wirtschaftlich gescheiterter Oldtimer-Restaurator. Der Prozess sei für ihn „lebensentscheidend“, sagte er dem Tagesspiegel kürzlich. Es bleibt dennoch fraglich, wie es geschehen konnte, dass diesem Mann millionenfache Sympathien zufliegen, während die Arbeit von Gerichten, Gutachtern und Strafverfolgungsbehörden unter Generalverdacht gestellt wurde. Wie und wo genau der gebürtige Nürnberger derzeit lebt, ist unbekannt. Dem Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ verriet er, dass er sich in einer kleinen Stadt in Norddeutschland aufhält. Die Wohnung werde ihm von einem Bekannten gestellt. Demnach verschafften ihm Freunde auch schon einen Job als Dozent für Fahrsicherheitstrainings.

Wie läuft die Verhandlung ab?

Die Strafkammer unter Vorsitz der Richterin Elke Escher will ihre Arbeit offenbar gründlich machen. So sind bisher 17 Verhandlungstage bis Ende August mit 42 Zeugen anberaumt. Darunter sind seine Exfrau Petra M., Bekannte aus dem Umfeld des einstigen Ehepaares, damalige Ärzte und Sprechstundenhilfen, Polizisten, Richter, Rechtsanwälte, Kfz-Geschädigte. Und natürlich die begutachtenden Psychiater – Klaus Leipziger und bisher zwei weitere seiner Kollegen. Das Gericht will auch aufklären, wie die bayerische Justiz mit Mollath umgegangen ist. Doch die Planung könnte schon am Montag gehörig durcheinandergeraten.

Mollath will den neuen, vom Gericht bestellten psychiatrischen Gutachter, den Münchner Forensik-Professor Norbert Nedopil, nicht akzeptieren. Dieser habe, so argumentiert Mollath, selbst einmal gesagt, dass viele Psychiatrie-Gutachten falsch seien. Solange Nedopil als Sachverständiger im Verhandlungssaal sitze, werde Mollath nicht aussagen. Denn durch dessen Anwesenheit fühle er sich beeinträchtigt. Weiter wird von der Verteidigung eine ganze Reihe weiterer Zeugen beantragt werden. Zu einem Zusammentreffen zwischen Mollath und seiner Exfrau kommt es nicht. Wie ihr Rechtsanwalt Jochen Horn dem Tagesspiegel bestätigte, wird sie, die auch Nebenklägerin ist, die Zeugenaussage verweigern. Als Zeugin wird sie auch nicht erscheinen. Petra M., die nach der Scheidung einen früheren Bank-Kollegen geheiratet hat, entzieht sich der Öffentlichkeit. Ihr gehe es vor allem darum, so ihr Anwalt, dass das Verfahren auf korrekte Weise durchgeführt wird.

Mit welchem Urteil muss Mollath rechnen?

Eine Bestrafung hat er nicht zu befürchten, selbst wenn er schuldig gesprochen würde. Denn der Freispruch aus dem vorherigen Prozess darf nicht zu Ungunsten des Angeklagten verändert werden. Ein Gerichtssprecher sagt, es bestehe aber weiter die Möglichkeit, dass das Urteil gegen Mollath auf Unterbringung laute. Eine erneute Einweisung aufgrund eines neuen Gutachtens gilt allerdings als praktisch ausgeschlossen.

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