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Wir & das Geld: Völlig abgebrannt

Alles kostet: Handy, Miete, Drinks und Klamotten. Warum wir ständig pleite sind

Wir sind jung und wir brauchen viel Geld. Da die Eltern nicht mehr die Stullen schmieren, Fast-Food verdammt teuer ist, wir viel Kohle in Cafés und Clubs lassen, ist Geld ein zentrales Thema, das leider auch oft aufs Gemüt schlägt: Haben wir genug Scheine in der Tasche, ist das soziale Leben voll auszukosten. Wir sind die erste junge Generation mit einem milliardenschwerem Sparvolumen, und dennoch fällt uns der Umgang damit schwer. Bling-Bling und all die Statussymbole kosten Geld, viel Geld. Und das geht nicht immer gut.

Das Café in Kreuzberg ist gut gefüllt. Es ist Freitagabend, die Leute trinken ihr Feierabendbier, rauchen draußen vor der Tür, ein buntes allabendliches Treiben in einem Café in der Bergmannstraße. Mittendrin jongliert Sandra ein volles Tablett durch die schmalen Gänge zwischen den Tischen. Sandra ist 20, macht gerade ihr Abitur, wohnt in einer Einzimmerwohnung in Kreuzberg und jobbt mehrmals die Woche, immer abends und immer nach einem anstrengenden Schultag. „Es ist schwer, das alles unter einen Hut zu kriegen, aber ich gebe mir Mühe“, sagt sie und lächelt.

Sandra hat Schulden. 2000 Euro. Und sie ist damit nicht allein.

Ärger mit Geld haben noch viel mehr Leute. Wenn wir bei der Schufa anrufen – ein Unternehmen für die Kreditsicherung – erfahren wir, dass ziemlich genau 797 000 Leute zwischen 18 und 24 Jahren einen Negativeintrag haben und somit beispielsweise nicht so leicht einen Handyvertrag bekommen. Jeanette Biedermann etwa hat mal erzählt, dass sie früher klaute. Und Robert Stadlober sprach davon, dass er sich sogar mal nicht mehr die Miete leisten konnte.

Als Sandra, das Mädchen aus dem Kreuzberger Café, mit 18 auszog, war alles perfekt: Mit ihrem Kindergeld, einem Job und etwas Geld von den Eltern konnte sie ganz gut leben. „Aber mir fehlte von Anfang an ein normaler Umgang mit Geld“, sagt sie. Die 20-Jährige hatte eine viel zu hohe Handyrechnung, ging am Wochenende feiern, kaufte Klamotten, Möbel, überzog ihren Dispokredit, bezahlte lieber ein paar Drinks als ihre Miete und über ihre steigenden finanziellen Sorgen reden wollte sie auch nicht.

Sandra musste nie viel arbeiten, das meiste Geld kam von den Eltern. Doch jetzt muss sie hart arbeiten, um ihre Schulden abzubezahlen – und das verdiente Geld fließt erst mal nicht in Party-Outfits und Drinks. „Das dauert noch ein paar Monate, aber dann hoffe ich, wieder komplett schuldenfrei zu sein.“

Anna und Lene sind 16 Jahre alt. Sonnabend ist ihr Tag. Die beiden Charlottenburgerinnen treffen sich im „Caras“-Kaffeeladen am Ku’damm. Sie trinken einen Latte Macchiato und laufen dann von Geschäft zu Geschäft. Sie bekommen 150 Euro Taschengeld im Monat, das ist viel. Denn der bundesweite Durchschnitt liegt laut Studien etwa bei gut 50 Euro bei den 12- bis 17-Jährigen. Das allsonnabendliche Ritual lassen sich Anna und Lene nicht nehmen. Hier geben sie ihr Geld aus. Mode ist ihnen wichtig. Und das Neueste von H&M, Mango oder Zara zu tragen, noch viel mehr. „Gutes Aussehen ist uns wichtig“, sagt Anna. Kommen sie mit ihrem Geld zurecht? „Nein. Es ist alles schon sehr teuer, gerade dort, wo unsere Freunde hingehen. Also, wir geben das meiste für Klamotten aus, also müssen wir beim Feiern etwas zurückstecken“, sagt Lene. Die beiden finden ihr Glück in der H&M-Umkleidekabine, wenn die neue Frühjahrskollektion draußen ist, sie wünschen sich von ihren Eltern gerade eine Prepaid-Kreditkarte. Das mag klischeemäßig klingen, ist aber so, selbst wenn die Protagonisten in dieser Geschichte ihren wahren Namen nicht in der Zeitung lesen möchten.

Sandra hat auch so wie Anna und Lene gedacht und sich verschätzt. „Ich habe immer alles haben wollen, aber lange nicht wirklich realistisch gedacht. Ich glaube, vielen in unserem Alter fehlt der Blick für das Geld. Woher kommt es und wie geht man damit um?“ Vielleicht hat Sandra recht. Wir, die junge Zielgruppe, werden am stärksten beworben: Im Netz, im Fernsehen und in den vielen Magazinen für die werberelevante Klientel. Und wir sind umgeben von It-Girls und Promis, die einen unglaublich angenehmen Lebensstil haben und selten erfährt man, wie sie sich den erarbeiten. Sandra hat andere Sorgen als die von Paris Hilton & Co. In ihrer kleinen Küche hängt ein Geldplan: Sie hat rund 50 Euro pro Woche – für alles. „Ich genieße das richtig“, sagt die 20-Jährige, „endlich habe ich das Gefühl, erwachsen zu werden.“ Nach der Schule will sie studieren und vor allem nie wieder Schulden machen. „Ich bin nicht mehr so naiv wie früher. Ich weiß jetzt: Geld braucht Arbeit, leider.“

Lene und Anna denken noch nicht so genau drüber nach. Jobben, vielleicht später. Shoppen jeden Samstag. Die beiden lieben es viel zu sehr. Und ja, sie geben zu viel für ihren Handyvertrag aus. Und die Eltern meckern. Das Handy ist für viele von uns zur großen Falle geworden. Rund 250 000 Leute um die 20 haben sich durch ihre Handyrechnungen verschuldet.

Robert kann das nicht passieren: Er hat wenig Geld – und für sich eine Tugend draus gemacht: Er hat die Sparsamkeit für sich entdeckt. Was etwas spießig klingt, ist für Robert ganz logisch. Wenig Geld, also wenig ausgeben. Und etwas Aufregung gibt es am Wochenende, abends, wenn Lene und Anna, vom Shoppen nach Hause gekommen, gerade ihre neuen Klamotten ausprobieren. Dann geht Robert „containern“. „Das kommt aus New York“, erzählt der 22-Jährige in seiner WG-Küche in Moabit, während er eine selbst gedrehte Zigarette raucht und einen Kaffee trinkt. „Wir sammeln Lebensmittel aus dem Müll, die Supermärkte weggeschmissen haben, obwohl sie eigentlich noch verwendbar sind.“ Er geht zum Kühlschrank und zeigt ein paar Orangen, einen Erdbeerjoghurt und ein abgepacktes Brot. „All das habe ich vom Containern gestern Nacht.“ Einmal die Woche zieht er los und das reicht für die ganze Woche. Klar muss er im Müll kramen, klar ist das eklig, aber er spart Geld und sieht sich dabei auch noch als Mahner: „Lebensmittel im Wert von zehn Milliarden Euro werden im Jahr weggeschmissen“. Robert studiert Umwelttechnik an der TU Berlin, lebt von Bafög und gönnt sich recht wenig. „Mein Luxus sind Tabak und etwas Gras“, sagte er. Und Bier. Die leeren Flaschen stehen zumindest in der gesamten WG-Küche. Die bringen auch noch ein paar Cent.

Ric Graf

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