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Vielen Menschen in Vanuatu hat der Wirbelsturm "Pam" das Haus zerstört. Hier Samuel und sein Vater in der Hauptstadt Port Villa.

© dpa

Update

Wirbelsturm über Vanuatu: Mindestens 24 Tote durch Zyklon "Pam"

Einige Inseln des Pazifikstaats Vanuatu sind schwer verwüstet. Jüngste Zählungen gehen mindestens zwei Dutzend Toten aus. Für den Nothilfeeinsatz ist die abgeschiedene Lage von Vanuatu ein Problem.

Aufklärungsflüge im Katastrophengebiet von Vanuatu haben erste Befürchtungen zu den Zerstörungen von Zyklon „Pam“ bestätigt. „Es gibt Berichte über katastrophale Verwüstung auf den Inseln Erromango und Tanna im Süden, wo nicht aus Beton gebaute Gebäude komplett platt sind und die Betonbauten keine Dächer mehr haben“, sagte Colin Collett van Rooyan, Leiter des Büros der Hilfsorganisation Oxfam in der Hauptstadt Port Vila. Präsident Baldwin Lonsdale machte den Klimawandel für die Katastrophe mitverantwortlich.

Jüngsten Angaben zufolge kamen mindestens 24 Menschen ums Leben. Diese Zahl bestätigte das UN-Nothilfebüro OCHA in New York, bezog sich dabei aber auch auf Informationen der Regierung von Vanuatu.

Mit Blick auf die Folgen von „Pam“ sagte Orla Fagan von OCHA: „Das australische Militär hat nach dem Überflug erhebliche Zerstörung gemeldet. Wir machen uns große Sorgen um die südlichen Regionen.“ Immer noch gelang es Helfern nicht, die Inseln mit gut 30.000 Einwohnern zu erreichen. Erromango liegt mehr als 120 Kilometer südlich der Hauptinsel Efate, Tanna noch weiter südlich. Die nördlichen Inseln könnten dem schlimmsten entgangen sein, so Alex Mathieson von Oxfam, der bis vor kurzem in Port Vila lebte.

Rooyan schloss nicht aus, dass mehr als ein Drittel der 250.000 Einwohner im ganzen Land obdachlos geworden seien. Die Zahl der Todesopfer war weiter ungewiss. Bislang bestätigt sind mindestens acht Tote. Auch Nachbarstaaten wie Tuvalu waren betroffen, wo die Hälfte der 10 000 Einwohner Hilfe brauchten, wie die Regierung sagte.

Klimaexperten warnen vor weiteren Wirbelstürmen

Die südlichen Inseln lagen direkt im Auge des Zyklons, der in der Nacht zum Samstag über die Region nordöstlich von Australien gezogen war. Es war einer der mächtigsten je gemessenen Zyklone. Der Klimawandel trage zu solchen Wetterereignissen bei, sagte Präsident Lonsdale am Rande einer Konferenz zu Katastrophenschutz in Japan. Sein Land erlebe steigende Meeresspiegel und das Wetter sei unvorhersehbar geworden. Klimaexperten warnen seit langem, dass Treibhausgase in der Atmosphäre stärkere Wirbelstürme verursachen können. „Das Militär hat kleinere Flugzeuge zugesagt, wir gehen davon aus, dass die Inseln Dienstag angeflogen werden“, sagte Christopher Bartlett, Leiter des deutschen GIZ-Büros für internationale Zusammenarbeit.

Die GIZ koordiniert den Wiederaufbau der Landwirtschaft. Ein Großteil von Samen und Landwirtschafts-Werkzeug könnten vor Ort gekauft werden, das Material könne Bedürftigen gebracht werden, sobald Hilfsflüge eingerichtet seien.

Die Versorgung funktioniert notdürftig

In der Hauptstadt Port Vila trafen tonnenweise Hilfsgüter ein, etwa Plastikplanen, Nahrungsmittel, Trinkwasser und Erste-Hilfe-Pakete. In der Stadt selbst waren 90 Prozent der Gebäude beschädigt, aber einige Geschäfte öffneten wieder, wie der deutsche Honorarkonsul Jörg Michael Schwartze berichtete. „Die Versorgung funktioniert notdürftig.“ Trinkwasser sei teilweise wieder vorhanden, Strom nicht.

Er lud sein Handy im Auto auf. Die 40 bis 50 Deutschen auf Vanuatu seien seines Wissens nicht in Gefahr, sagte er. „Mir sind von keinem ernste Probleme oder Verletzungen bekannt.“ „Pam“ sei zwar außerordentlich gewaltig gewesen, sagte der Honorarkonsul, aber Pazifikbewohner seien auf Zyklone eingestellt.

„Sie wissen sich zu helfen“, meinte er. „Wir brauchen viel Tatkraft, aber mit australischer und neuseeländischer Hilfe können wir das hier sicher alles schnell wieder aufbauen. Der Berliner lebt nach eigenen Angaben seit 2009 auf Vanuatu und betreibt dort drei Ferienanlagen. Zwei Restaurantgebäude seien zerstört und ein Dach abgedeckt worden.

Helfer kämpfen mit Problemen im zerstörten Paradies

Was macht die Hilfe im Südpazifik so schwierig? „Die Region ist so abgelegen“, sagt Orla Fagan von der UN-Nothilfe-Organisation OCHA. Die nächsten großen Flughäfen sind in Brisbane in Australien und Auckland in Neuseeland, drei Flugstunden entfernt. „Die Menschen leben auf vielen Inseln verstreut, und die liegen wieder weit auseinander.“ Die Region ist ja Desaster wie Erdbeben und Wirbelstürme gewohnt. Ist die Regierung da nicht gut vorbereitet? „Bei einer Katastrophe von diesem Ausmaß ist die Regierung überfordert“, sagt der neuseeländische Außenminister Murray McCully.

Das Land ist arm, die Mittel sind begrenzt. Das selbst in besten Zeiten rudimentäre Kommunikationssystem funktionierte auch drei Tage nach der Katastrophe noch nicht wieder. Die Behörden können nicht einmal feststellen, wo die Not am größten ist.

Vanuatu hat gut 80 Inseln, 65 davon bewohnt

Kann man nicht auf die Inseln fliegen und nachschauen? Vanuatu hat gut 80 Inseln, 65 davon bewohnt. „Es gibt außer in Port Vila nur auf zwei Inseln Flughäfen mit asphaltierter Landebahn, da können Propellermaschinen mit 40, 50 Sitzen landen“, sagt Alex Mathieson von der Hilfsorganisation Oxfam, der bis vor kurzem in Port Vila lebte. Schäden an den Landebahnen müssen zuvor gecheckt werden. Ansonsten gibt es Graspisten. „Das Militär hat jetzt kleinere Flugzeuge zugesagt“, sagt Christopher Bartlett, Leiter des deutschen GIZ-Büros für internationale Zusammenarbeit.

Ein Mann in Vanuatu steht auf dem Trümmern seines vom Zyklon "Pam" zerstörten Hauses.
Ein Mann in Vanuatu steht auf dem Trümmern seines vom Zyklon "Pam" zerstörten Hauses.

© dpa

Wie sieht es mit dem Fährverkehr aus? Auf Vanuatu leben die meisten Menschen als Bauern von der Hand in den Mund. Es gibt keinen regen Handel zwischen den Inseln. „Da sind 20, 25 Meter lange Boot unterwegs, die befördern Fracht und Menschen“, sagt der deutsche Honorarkonsul in Vanuatu, Jörg Michael Schwartze.

„Die Fahrten dauern oft ein, zwei Tage.“ Wer kann jetzt am besten helfen? Marineschiffe aus Australien, Neuseeland und Frankreich. Frankreichs Überseegebiet Neukaledonien liegt am nächsten an Vanuatu, auf halbem Weg zwischen Brisbane und Port Vila. Die Marine hat dort Schiffe, Flugzeuge und Hubschrauber und ihre Hilfe zugesagt.

100 000 Menschen obdachlos

Mit wie vielen Hilfsbedürftigen rechnen die Nothelfer? Mangels Kommunikation ist das noch immer nicht zu sagen. Sie gehen davon aus, dass die Inseln Tanna und Erromango südlich von Port Vila am schlimmsten betroffen sind, mit gut 30 000 Einwohnern. Oxfam fürchtet, dass 100 000 Menschen obdachlos sein könnten.

Wann kann die Hilfe richtig losgehen?  „In wenigen Tagen“, sagt GIZ-Mann Bartlett. Die GIZ koordiniert den Wiederaufbau der Landwirtschaft. „Wir rechnen am Dienstag mit den ersten Flügen auf Nachbarinseln. Da werden die Bedürfnisse ermittelt.

Wir können aber jetzt schon Samen und Werkzeug hier vor Ort kaufen, das kann dann mit den ersten Hilfsflügen sofort rausgehen.“ Vanuatus Präsident hat den Klimawandel ins Spiel gebracht. Hat das wirklich Einfluss auf solche Katastrophen? Klima-Experten warnen seit Jahren, dass die Treibhausgase in der Atmosphäre zu intensiveren Stürmen führen können. Die Zahl der Zyklone dürfte zwar in den nächsten 100 Jahren abnehmen, meint etwa Klimawissenschaftler Thomas Knutson. Die Windgeschwindigkeit innerhalb der Zyklone nehme aber wahrscheinlich zu. (dpa)

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