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Panorama: Witze mit Wirkung

Die Wissenschaft entdeckt den Wert des Humors für den Alltag, im Job, aber auch in der Therapie

Berlin - Humor sei der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt, meinte der Lyriker Joachim Ringelnatz. Wenn alles gut läuft, ist er manchmal auch der Knopf, dessen Betätigung andere dazu bringt, nach unserer Pfeife zu tanzen. In ihrem Buch „Humor im Business“ berichten Albrecht Kresse und Eva Ullmann zum Beispiel vom Busfahrer, der schon lange genervt war, weil seine Fahrgäste sich zu Stoßzeiten ständig im vorderen Busteil knäuelten. Mehr Erfolg als seine wiederholten Ermahnungen brachte die – zugegeben etwas alberne – Ansage: „Alle Fahrgäste mit sauberer Unterwäsche bitte nach hinten durchgehen!“

Durch Forschungen wie die der Tübinger Psychiaterin und Neurologin Barbara Wild weiß man inzwischen mehr darüber, wie die „Humornetzwerke“ im Gehirn arbeiten. Eine unerwartete Äußerung, ein Gag, eine Pointe führen im menschlichen Gehirn aufgrund des Überraschungseffekts zur Aktivierung des rechten Stirnlappens. Dort werden Emotionen ausgelöst, das hirneigene System an belohnenden Botenstoffen kommt in Fahrt, ebenso die Regionen, aus denen die Befehle für die Aktivierung bestimmter Gesichtsmuskeln kommen.

Die Wissenschaft interessiert sich inzwischen – ganz im Ernst – dafür, wie Witze wirken und was sie bewirken können. Seit dem Jahr 2000 findet etwa jährlich unter Beteiligung renommierter Wissenschaftler die „International Summer School of humour and laughter“ statt, in der sich Experten aus Neurowissenschaften, Psychologie und Linguistik treffen, um sich ihrem schönen Fachgebiet theoretisch und praktisch zu widmen. Der Initiator der Veranstaltung, Persönlichkeitspsychologe Willibald Ruch von der Universität Zürich, stellte dort zum Beispiel eine Studie zur Frage „Humour as Pain-Killer?“ vor.

Lachen hat, wie man inzwischen weiß, eine ganze Reihe von nützlichen Nebeneffekten für die Gesundheit: Es reduziert nicht nur Schmerzen, sondern regt auch den Kreislauf an, reduziert Stress und bringt das Immunsystem auf Trab. Wenn der Arzt und Kabarettist Eckart von Hirschhausen die Bühne für eine seiner Shows betritt, tut er das durchaus in dem Bewusstsein, dort ebenfalls therapeutisch tätig zu sein. „Wer lacht“, sagt er, „der lebt für ein paar Sekunden nur im Moment.“

Hirschhausen kann sich auf Altmeister des Fachs wie Paul Watzlawick und Frank Farrelly berufen, wenn er für eine Änderung der Einstellung gegenüber den eigenen Problemen eher auf Humor setzt als auf Betroffenheit und Verstehen allein. Auch in modernen Formen der Psychotherapie wird Lachen nicht mehr nur als „Abwehr“ verstanden, sondern als erwünschte und gesunde Form der Interaktion. Mit seinem „Ha-Handbuch der Psychotherapie“, einer Pointensammlung in zwei Bänden, die in der Therapeutenszene zum Bestseller avancierte, liefert der Psychotherapeut Bernhard Trenkle aus dem schwäbischen Rottweil viele Beispiele für Witze mit tieferer Bedeutung. Ein Beispiel für das Prinzip, aus der eigenen Schwäche eine Stärke zu machen, ist der Stotterer, der von Tür zu Tür geht und mit einem einzigen Satz zum erfolgreichsten Bibelverkäufer avanciert: „K-k-k-ennen Sie d-d-d-die Bibel? Wollen Sie eine k-k-kaufen oder soll ich Ihnen da-da-daraus vorlesen?“

Auch die Leipziger Pädagogin Eva Ullmann, die von ihrem „Institut für Humor“ aus Firmen ihre Trainingskonzepte und individuelles Mitarbeiter-Coaching anbietet, ist überzeugt davon, dass Lachen gezielt als Instrument genutzt werden kann, um Psychotherapien erfolgreicher zu gestalten. Wenn eine einfühlsame Atmosphäre bestehe, könne der Therapeut bewusst herausfordernde, provozierende, überraschende Dinge sagen, ohne zynisch zu wirken. Jemand klagt, er habe keine Freunde? „Wenn meine innere Haltung erkennbar ist, kann ich ihm sogar antworten: Wie praktisch, Sie sparen viel Zeit und das Geld für die Geschenke!“ Dass eine Prise Scherz und Ironie auch das Klima an Deutschlands Kliniken verbessern könnte, meint man offensichtlich auch an der Uniklinik in Leipzig, wo Ullmann Ärzte und Pflegekräfte in Kommunikation schult.

Kann man es lernen, andere zum Lachen zu bringen? „Es geht nicht darum, das Witzigsein zu lernen“, sagt Ullmann. „Das funktioniert schon deshalb nicht, weil nicht alle Leute denselben Humor haben.“ Wichtig – und ungewohnt – sei es aber, Humor in einem Büro, einer Werkstatt oder gar einer Arztpraxis überhaupt zuzulassen. Und das nicht allein zur Karnevalszeit. „Lachen ist ein menschliches Grundbedürfnis“, sagt Doktor von Hirschhausen, „Tragik gibt es im Leben der meisten auch so schon genug.“

Adelheid Müller-Lissner

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